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„Ich habe mich für das Leben entschieden“

Eine weltweit bisher nur dreimal dokumentierte Operation war die einzige Möglichkeit, Silke Schulzes Leben zu retten. Jetzt ist die 41-Jährige wieder zu Hause.

 

 

 

 

 

Silke Schulze mit Professor Christoph Knosalla und Mi-Young Cho: 13 Stunden lang haben die beiden sie operiert.

 

 

 

 

 

Silke Schulze mit Professor Christoph Knosalla und Mi-Young Cho: 13 Stunden lang haben die beiden sie operiert.

Silke Schulze kommt im November 1981 in Mecklenburg-Vorpommern zur Welt. Als sie sechs Monate alt ist, werden in der Uniklinik Rostock mehrfache angeborene Herzfehler festgestellt: Ein „Loch“ in der Herzscheidewand, eine Verengung der Mitralklappe und eine Aortenbogenhypoplasie, also eine Unterentwicklung der Hauptschlagader. Die chirurgische Korrektur der Herzfehler ist für die Ärzt:innen der Uniklinik damals unmöglich.

„Lass das, Du bist doch krank“ – diesen Satz muss Silke Schulze in ihrer Kindheit und Jugend immer wieder hören. Doch sie sucht ihre eigenen Grenzen, lebt trotz aller Beschränkungen ein aktives und freies Leben. Sie wird Kauffrau für Bürokommunikation in einem Alten- und Pflegeheim; ein Beruf der sie ausfüllt, in einem guten Team. Silke Schulze wird regelmäßig untersucht, ab 2004 auch im heutigen DHZC. Auch hier erscheint die operative Korrektur der Herzfehler nicht möglich. Doch Silke Schulze erfährt zum ersten Mal von der Möglichkeit einer Transplantation, sollte ihr Herz einmal versagen.

Ihr Zustand bleibt aber noch lange stabil. Auch von einem schwerwiegenden Einriss der Lunge erholt sie sich wieder, muss in der Folge allerdings ihren Beruf aufgeben und wird frühverrentet. Silke Schulze achtet auf ihren Körper, stellt ihre Ernährung um, entdeckt Yoga für sich, hält sich fit und in Bewegung. Doch Anfang 2020 werden die Runden mit ihrer Hündin Ella immer kürzer und für immer häufigere Pausen unterbrochen.

Die zu schmale Hauptschlagader, die zu enge Herzklappe: Jahrzehntelang hat Silke Schulzes Herz gegen diese Widerstände pumpen müssen. Jetzt ist es zu schwach geworden. Und der Rückstau des Blutes hat auch ihre Lunge unwiderruflich geschädigt. Silke Schulzes einzige Chance auf ein langfristiges Überleben ist nun eine Transplantation von Herz und Lunge. Doch zuvor muss ihre verengte Aorta rekonstruiert, also mit Hilfe von körpereigenem Gewebe erweitert werden – für sich genommen bereits ein aufwändiger Eingriff.

Den Ärzt:innen am DHZC ist aber klar, dass sie beide großen Operationen nur „am Stück“ ausführen können: Zwei Eingriffe dieser Art hintereinander würde die geschwächte Patientin nicht überstehen. Es ist eine OP, die in der Fachliteratur so erst zweimal beschrieben wurde – weltweit.

Am 26. November 2021 wird Silke Schulze hochdringlich für eine Herz-Lungen-Transplantation gelistet. Sie wird stationär in das Paulinenkrankenhaus, die Partnerklinik des DHZC, aufgenommen. Professor Christoph Knosalla, chirurgischer Leiter des Programms für Herz- und Lungentransplantation am DHZC, fragt seine Kollegin Mi-Young Cho, die leitende Oberärztin der Chirurgie für Angeborene Herzfehler, ob sie diesen Eingriff mit ihm zusammen ausführen möchte. Sie sagt sofort zu. Fast ein Jahr lang sind die Chirurg:innen und ihre Patient:in nun gemeinsam „standby“. Silke Schulze kann trotz aller kreislaufstärkenden Medikamente zum Schluss kaum noch gehen.

In einer Nacht Ende September 2022 stehen endlich passende Spenderorgane zur Verfügung stehen. Um 5.30 Uhr wird Silke Schulze in den OP gebracht. Mit körpereigenem Gewebe erweitern Mi-Young Cho und Christoph Knosalla den Aortenbogen ihrer Patientin, entnehmen die kranken Organe, setzen das neue Herz-Lungen-Paket ein. Die 13-stündige Operation verläuft ohne Komplikationen. Um 22 Uhr wird Silke Schulze auf die Intensivstation gebracht. Die Spenderorgane funktionieren vom ersten Tag an hervorragend. Dennoch ist es für Silke Schulze ein langer und mühevoller Weg zurück ins Leben. Auch die anderen Organe haben durch die jahrelange Minderdurchblutung stark gelitten. Erst nach 16 1/2 Wochen kann Silke Schulze das DHZC verlassen und in die Reha gehen.

„Keine einzige Sekunde“ habe sie sich trotz aller Rückschläge aufgegeben, erzählt Silke Schulze, habe lieber ein Ende herbeigewünscht als weiterzukämpfen: „Ich habe mich für das Leben entschieden.“ Vergangene Woche schließlich ist sie heimgekommen zu ihrem Mann Bodo nach Schwerin. Nach 463 Tagen im Krankenhaus.

Silke Schulze ist sich bewusst, dass es gerade im ersten Jahr noch zu Komplikationen kommen kann. Aber momentan fühlt sie sich einfach „hervorragend“. Da ist der Geruch von nassem Gras, da ist das Gezwitscher der Vögel vor dem Fenster, da ist Ella, ihre Hündin. Aber das Schönste, verrät sie, sei nach über einem Jahr in der Klinik eben doch: „Ich kann meine Tür zumachen und weiß: Keiner kommt rein.“

Wir danken Silke Schulze, dass sie uns ihre Geschichte erzählt hat. Und wünschen ihr alles Beste.