Skip to main content

Pulmonalklappenersatz

Bei einer Vielzahl von Herzfehlern ist aufgrund von einer schwerwiegenden Einengung (Stenose), Undichtigkeit oder fehlender Anlage der Lungenschlagader (Pulmonalarterie) ein Pulmonalklappenersatz notwendig. Durch den Ersatz der Klappe wird der Belastung des Herzens durch zu hohen Druck und/oder das zu große Volumen entgegengewirkt. 

Die Pulmonalklappe kann minimalinvasiv per Herzkatheter oder chirurgisch ersetzt werden. Mittlerweile gibt es zahlreiche verschiedene Klappenmodelle und Behandlungsverfahren.

Indikation

Wann ist ein Pulmonalklappenersatz notwendig?

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich um Patient:innen mit Restbefunden nach einer Korrektur eines angeborenen Herzfehlers mit fehlgebildeter Pulmonalklappe (z.B. Fallot´sche Tetralogie) oder fehlender Anlage dieser Klappe (z.B. Truncus arteriosus communis, Pulmonalatresie). Selten benötigen auch Patient:innen mit isolierter Pulmonalklappenstenose oder Insuffizienz einen Pulmonalklappenersatz. 

Folgeeingriffe nach einem vorangegangen Pulmonalklappenersatz, bei denen die alte, nicht mehr gut funktionierende Klappe ersetzt werden muss, nehmen durch die wachsende Anzahl von erwachsenen Patient:innen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) stetig zu.  Selten können beide Dysfunktionen der Klappe (Stenose/Insuffizienz) auch im Rahmen einer Ballondilatation der Pulmonalklappe, einer Infektion der Klappe (Endokarditis) oder als Folge einer entzündlich-autoimmunen Reaktion des Körpers (Rheumatisches Fieber) entstehen.

Körperliche Folgen

Was bedeutet das für das Herz und den Kreislauf?

Normales Herz

In einem normalen Herzen fließt sauerstoffarmes Blut aus dem Körper über den rechten Vorhof in die rechte Kammer und wird von dort durch die Lungenschlagader (Pulmonalarterie) ohne Hindernisse in die Lunge gepumpt. Das Herz kann in dieser Situation den Widerstand, den die Lungengefäße entgegenbringen, mühelos überwinden. Durch die korrekte Schließfunktion der Pulmonalklappe wird die Blutsäule in der Lungenschlagader zurückgehalten, während sich die rechte Herzkammer vor dem nächsten Herzschlag durch neues Blut füllt. Das Herz kann in dieser Situation genau soviel Blutvolumen aufnehmen und auswerfen wie der Körper aktuell braucht. Das Fassungsvolumen der rechten Kammer und die Wanddicke des Herzmuskels, um dieses Volumen in die Lunge zu pumpen, bleiben im klar definierten Gleichgewicht.

 Pulmonalklappenstenose

Wenn die Pulmonalklappe nicht vollständig öffnet oder der Klappenring zu klein ist (Stenose), muss die rechte Kammer bei jedem Herzschlag gegen einen unnötig hohen Widerstand ankämpfen. Um diese Mehrarbeit leisten zu können, nimmt die Masse der Herzmuskulatur stetig zu. An einem bestimmten Punkt kippt das System aus dem Gleichgewicht und die Masse des Muskels kann durch die vorhandenen Koronargefäße nicht mehr ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden. Der Herzmuskel verliert an Kraft und Ausdauer. Vor allem unter Belastung können nun Symptome wie Herzrasen, Abgeschlagenheit, Luftnot oder Leistungsknick auftreten.

Pulmonalklappeninsuffizienz

Eine Störung der Schließfunktion der Pulmonalklappe (Insuffizienz) führt zur dauerhaften Mehrbelastung der rechten Herzkammer mit Blutvolumen. Dieses Blut fließt am Ende jedes Herzschlages unnötig statt in die Lunge wieder in das Herz zurück. Die Kammer wird immer größer, um dieses Volumen aufnehmen und die Schlagkraft erhöhen zu können. Wenn die Schwelle für diese Kompensation überschritten wird, kann die Kammer das zusätzliche Volumen nicht mehr effektiv auswerfen. Vor allem unter Belastung fehlt nun dieses Volumen, um die Muskeln und Organe mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen. Es entstehen Symptome wie Abgeschlagenheit, Antriebsschwäche und Herzrasen.

Symptome

Was bedeutet das für mein Kind?

In Abhängigkeit von dem vorherrschenden Mechanismus der Klappendysfunktion, der Schwere der Auswirkung auf den Kreislauf und der Belastung des Körpers können früher oder später Symptome bis hin zu Herzversagen und Luftnot auftreten.

Neugeborene und Säuglinge mit einer schweren Stenose benötigen in der Regel einen chirurgischen Eingriff in den ersten sechs Lebensmonaten, um den Herzfehler zu korrigieren. Dem Herzen muss die Last, die die stark verengte Klappe darstellt, umgehend genommen werden, bevor es zu anhaltender Blausucht (Zyanose), einem Herzversagen mit Herzrhythmusstörungen oder Organschäden kommt.  

Die häufig begleitenden Herzfehler werden meistens gleichzeitig operiert. Wenn eine Stenose und/oder Insuffizienz der Pulmonalklappe als Folge einer vorausgegangenen Operation oder Intervention auftritt, haben die meisten Patient:innen nur milde Symptome und werden erst später im Laufe des Lebens auffällig. In der Regel müssen ihr Zustand und ihre Symptome ein Leben lang beobachtet werden. 

Bei Hinweisen auf eine schwere Stenose oder Insuffizienz, mangelnde Entwicklung oder herabgesetzte Belastbarkeit wird meistens ein stufenweises Vorgehen eingeleitet. Maßnahmen wie eine medikamentöse Behandlung, die Ballondilation der Klappe per Herzkatheter bis hin zu einer Klappenoperation können kombiniert werden, um die Funktion der rechten Herzkammer so lange wie möglich in einer guten Funktion zu erhalten. Bei Undichtigkeit der Klappe wird die Auswirkung auf die Größe und Funktion der rechten Kammer regelmäßig kontrolliert. Wenn die Druck- und Volumenbelastung des Herzens festgelegte Schwellen übersteigt, wird eine erneute Operation bzw. Intervention indiziert. Ein Ersatz der Pulmonalklappe kann notwendig werden.

Der Ersatz der Pulmonalklappe per Herzkatheter ist eine minimalinvasive, schonende Behandlungsmethode für Patient:innen. Modernste Klappenmodelle passen sich an die Anatomie der Patient:innen an, indem sie sich nach dem Einführen in den Körper selbst entfalten.

Der Ersatz der Pulmonalklappe per Herzkatheter ist eine minimalinvasive, schonende Behandlungsmethode für Patient:innen. Modernste Klappenmodelle passen sich an die Anatomie der Patient:innen an, indem sie sich nach dem Einführen in den Körper selbst entfalten.

Behandlungsverfahren

Ersatz der Klappe per Herzkatheter

Bei geeigneten Bedingungen kann die Pulmonalklappe per Herzkatheter erfolgreich ersetzt werden. Vor allem Patient:innen mit erneut stenotischen Klappen oder zuvor chirurgisch eingebauten klappentragenden Prothesen können von diesem Verfahren profitieren. 

In der Regel werden Klappen vom Rind oder Schwein, die in einen Stent eingebaut worden sind, per Katheter auf die erkrankte Stelle im Herzen positioniert und durch Dilatation des Stents in die richtige Lage gebracht. Die Klappe im Inneren des Stents nimmt die gewünschte Funktion auf. Mit Hilfe dieser Interventionsmöglichkeit gelingt es in der Regel, die Belastung des Herzens zu stabilisieren. 

Mittlerweile gibt es verschiedene minimalinvasive Verfahren, um die Pulmonalklappe per Herzkatheter zu ersetzen. Dabei werden leicht implantierbare, selbstexpandierende Klappenersatzsysteme genutzt, die sich an die Anatomie der Patientin bzw. des Patienten anpassen.

Neue Technologie ermöglicht schonendere Behandlung

Eine neue Harmony-Klappenprothese ermöglicht nun erstmals einen kathetergestützten Klappenersatz auch bei größeren Durchmessern – bis zu 38 mm. Dies erweitert die Behandlungsmöglichkeiten erheblich, da bisherige katheterbasierte Systeme für viele Patient:innen aufgrund ihrer anatomischen Verhältnisse nicht geeignet waren. Die Prothese basiert auf einer Nitinol-Legierung mit "Formgedächtnis", die sich an die anatomischen Strukturen anpasst. Die Implantation erfolgt über einen Katheter, der durch eine kleine Punktion in der Leiste eingeführt wird. Diese Methode ermöglicht eine schnellere Genesung im Vergleich zu einer offenen Operation.

Der Zustand der Patient:innen wird regelmäßig kontrolliert. Falls die Belastung des Herzens wieder zunehmen sollte, müssen weitere Eingriffe bis hin zu chirurgischen Klappenersatz durchgeführt werden. 

Chirurgischer Ersatz durch Standardmethoden

Für Kinder und Jugendliche gibt es verschiedene Möglichkeiten, um die Klappenfunktion durch einen chirurgischen Klappenersatz wiederherzustellen:

  1. Biologische Klappenersatzverfahren (Klappen eines menschlichen oder tierischen Ursprungs) haben den Vorteil, dass eine dauerhafte Behandlung mit blutverdünnenden Medikamenten nicht notwendig ist. Der biologische Klappenersatz hat jedoch eine nur begrenzte Haltbarkeit. In der Regel müssen solche Klappen nach etwa fünf bis zehn Jahren erneut chirurgisch ersetzt werden.
  2. Alternativ kann die Herzklappe mit einer mechanischen Prothese ersetzt werden. Im Anschluss an diesen Eingriff müssen die Patient:innen ihr Leben lang blutverdünnende Medikamente einnehmen – daraus entsteht ein erhöhtes Blutungs- und Thromboserisiko im Langzeitverlauf.

Jegliche Art von Klappenersatz durch eine Prothese (biologisch oder mechanisch) birgt den Nachteil eines fehlenden Wachstumspotenzials, sodass diese Möglichkeiten erst ab einer Erwachsenengröße der Patientin bzw. des Patienten sinnvoll eingesetzt werden können oder mit häufigen, wachstumsbedingten Wechseln der Klappen gerechnet werden muss.

Chirurgischer Ersatz durch eine zellfreie menschliche Klappe (Homograft)

Bei dieser Variante wird eine zellfreie menschliche Klappe als Ersatz benutzt. Eine Lungenschlagaderklappe (Pulmonalklappe) wird vom Spender unter sterilen Bedingungen entnommen (z.B. im Rahmen einer Organspende oder Herztransplantation). Diese Klappe wird dann durch ein chemisches Verfahren von allen Zellen des Spenders befreit. Durch das Entfernen der Zellen soll eine besonders haltbare Klappe erzeugt werden. Patient:innen mit zellfreien menschlichen Klappen müssen keine blutverdünnenden Medikamente einnehmen.

Aktuelle klinische Studien zeigen, dass die Haltbarkeit dieser Klappen mit den anderen Modellen vergleichbar ist. Über die möglichen Vorteile im Langzeitverlauf können momentan keine wissenschaftlich belastbaren Aussagen getroffen werden, da die zellfreien Klappen noch nicht über so einen langen Zeitraum wie die Standard-Klappen verwendet werden. 

Behandlung am DHZC

Minimalinvasiver Pulmonalklappenersatz per Herzkatheter

In zwei speziell ausgerüsteten und hochmodernen Herzkatheterlaboren der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie untersuchen und behandeln wir Neugeborene, Säuglinge, Kinder und Jugendliche jeden Alters mit angeborenen und erworbenen Herzerkrankungen, sowie auch alle Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern. Wir sind als überregionales Schwerpunktzentrum auf die invasive kardiologische Diagnostik und interventionelle Therapie von Patient:innen mit angeborenen Herzfehlern spezialisiert.

Außerdem ist das DHZC Referenzzentrum für den interventionellen Pulmonalklappenersatz. Wir nutzen modernste Klappen, die sich leicht implantieren lassen, sich im Körper selbst entfalten und sich so an die Anatomie der Patient:innen anpassen. Dadurch können wir unseren Patient:innen eine minimalinvative, besonders schonende Behandlung bieten. Zu den am DHZC verwendeten Klappenmodellen zählen Melody, Sapien, VenusP und die Harmony-Valve.

Mehr zum Herzkatheterlabor

Die Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie ist bereits seit 2011 als überregionales EMAH-Zentrum zur Versorgung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) zertifiziert. Unser Zentrum zählt zu den führenden EMAH-Zentren weltweit. Wir begleiten und behandeln Patient:innen mit angeborenen Herzfehlern vom Teenageralter bis ins hohe Erwachsenenalter. Alle modernen diagnostischen und bildgebenden Verfahren stehen uns dabei zur Verfügung.

Mehr zum EMAH-Zentrum des DHZC

Chirurgischer Pulmonalklappenersatz

Die routinemäßige Benutzung unserer Herz-Lungen-Maschine mit dem weltweit kleinsten Füllvolumen ermöglicht es in der Mehrzahl der Fälle, eine Operation ohne Fremdblut-Transfusion durchzuführen, was erhebliche Vorteile hat. Damit können wir nicht nur die Infektions- und Unverträglichkeitsrisiken minimieren, sondern unseren Patient:innen häufig auch eine schnellere Erholung nach der Operation ermöglichen. 

Die Implantation einer zellfreien menschlichen Pulmonalklappe (Homograft) wird bei Kindern ab dem Schulalter und bei Jugendlichen am DHZC zunehmend angeboten. So soll die späte Verkalkung und das Versagen der Klappenfunktion reduziert und häufige Reinterventionen verhindert oder verzögert werden. Die meisten Patient:innen können schon sehr früh postoperativ extubiert werden (Fast-Track-Konzept) und sich schnell von der Operation erholen. 

Mehr zur Kinderherzchirurgie am DHZC

Viele Operationen am Herzen können nur am stillstehenden Herzen durchgeführt werden. Eine Herz-Lungen-Maschine übernimmt während der OP die Funktion von Herz und Lunge. 

Am DHZC stehen zwölf moderne Herz-Lungen-Maschinen zur Verfügung, drei davon speziell für Säuglinge und Kleinkinder. 

Viele Operationen am Herzen können nur am stillstehenden Herzen durchgeführt werden. Eine Herz-Lungen-Maschine übernimmt während der OP die Funktion von Herz und Lunge. 

Am DHZC stehen zwölf moderne Herz-Lungen-Maschinen zur Verfügung, drei davon speziell für Säuglinge und Kleinkinder. 

Fragen und Antworten für Eltern

Kann sich mein Kind nach Operation normal belasten?

Nach der Operation kann sich Ihr Kind in der Regel normal belasten. 

Was benötigt mein Kind nach der Behandlung?

Regelmäßige und lebenslange Kontrolluntersuchungen durch eine auf die Behandlung von Patient:innen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) spezialisierte Ärztin bzw. einen spezialisierten Arzt sind erforderlich. Je nach angewandter Klappenprothese und den eventuellen Restbefunden können in einzelnen Fällen Medikamente bei der Entlassung aus dem Krankenhaus notwendig sein. Bei mechanischen Klappen ist eine lebenslange Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten Pflicht.

Wie sieht die Zukunft meines Kindes hinsichtlich Lebensqualität und Lebenserwartung aus?

Langzeitergebnisse zeigen, dass in der Regel eine normale Entwicklung zu erwarten ist. Die Belastbarkeit kann bei Patient:innen mit mild- bis mittelgradigen Befunden normal sein. Statische Ausdauersportarten sowie Leistungssport sollten ab mittelgradigen Stenosen gemieden werden. Abhängig von der Schwere des Befundes kann die Lebenserwartung – vor allem aufgrund von Komplikationen der Herzinsuffizienz, wiederholt notwendigen Operationen sowie des Risikos von Herzrhythmusstörungen – verkürzt sein. 

Bei Anwendung von mechanischen Prothesen kann die Einschränkung der Lebensqualität durch häufige Kontrolluntersuchungen, erhöhte Verletzungsgefahr und durch die lebenslange Gerinnungshemmung erheblich sein. Die Inzidenz von thromboembolischen Komplikationen (Gerinnselbildung) nach mechanischem Pulmonalklappenersatz im Kindesalter beträgt 0,5 -1 % pro Patientenjahr. 

Sind erneute Interventionen oder Operationen erforderlich?

Nach 10 Jahren kann es, abhängig vom Alter der Person bei der Operation, sein, dass bis zu 80 % der Patienten nach einem chirurgischen Pulmonalklappenersatz keine weiteren Eingriffe benötigen. Die Notwendigkeit einer Re-Intervention ist umso höher, je kleiner die verwendete Klappenprothese ist und betrifft jüngere Kinder häufiger als junge Erwachsene.

Autorinnnen

Dr. med. Antonia Schulz | Oberärztin

Dr. med. Antonia Schulz ist Oberärztin der Klinik für Chirurgie Angeborener Herzfehler – Kinderherzchirurgie am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) mit Schwerpunkt auf minimalinvasiver Chirurgie. Seit 2022 ist sie Fellow des BIH Charité Digital Clinician Scientist Programms.

Dr. med. Victoria Weixler | Fachärztin

Dr. med. Victoria Weixler ist Fachärztin der Klinik für Chirurgie angeborener Herzfehler - Kinderherzchirurgie am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC).