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Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern

Beim Vorhofflimmern schlagen die Vorhöfe des Herzens unkoordiniert und sehr schnell, was zu einer verminderten Blutauswurfleistung führt. In den Vorhöfen, insbesondere im linken Vorhofohr, kann sich dadurch das Blut stauen und Gerinnsel (Thromben) bilden. Diese Thromben können sich lösen und über den Blutkreislauf ins Gehirn gelangen, wo sie Blutgefäße verstopfen und einen ischämischen Schlaganfall verursachen.

Prävention

Die leitliniengerechte Therapie zur Reduktion des Schlaganfallrisikos bei VHF umfasst die orale Antikoagulation. Die Antikoagulation senkt das Schlaganfallrisiko erheblich, birgt jedoch ein erhöhtes Blutungsrisiko, insbesondere für intrakranielle Blutungen. Daneben sind eine Kontrolle der zugrunde liegenden Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes und Übergewicht sowie eine regelmäßige kardiologische Nachsorge wichtig.

Risikobewertung

Zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern wird in der Regel der CHA2DS2-VASc-Score verwendet. Dieser Score berücksichtigt verschiedene Risikofaktoren. Patienten mit einem hohen CHA2DS-VASc-Score haben ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall, weshalb eine Antikoagulation (Blutverdünnung) empfohlen wird. Bei Männern wird dies bei 2 Punkten oder mehr empfohlen, bei Frauen ab 3 Punkten oder mehr.

C: Congestive heart failure (Herzinsuffizienz) – 1 Punkt
H: Hypertension (Hypertonie, also Bluthochdruck) – 1 Punkt
A2: Age ≥ 75 years (Alter über 75 Jahre) – 2 Punkte
D: Diabetes mellitus – 1 Punkt
S2: Stroke/TIA (Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke in der Anamnese) – 2 Punkte
V: Vascular disease (Gefäßerkrankungen) – 1 Punkt
A: Age 65–74 years (Alter zwischen 65 und 74) – 1 Punkt
Sc: Sex category (weiblich) – 1 Punkt

Je höher der Score, desto höher ist auch das statistische Schlaganfall-Risiko pro Jahr.

PFO-Verschluss

In der Normalbevölkerung weisen ca. 25 Prozent aller Personen ein persistierendes, also dauerhaftes, Foramen ovale (PFO) auf. Dabei sind die beiden Herzvorhöfe nicht verschlossen. Normalerweise geschieht dies mit dem Einsetzen der Atmung.

Durch die Öffnung entsteht ein „Kurzschluss“ zwischen rechtem und linken Vorhof, über den eventuell beim Anstieg des Drucks im rechten Vorhof Thromben von der venösen Strombahn unter Umgehung der Lunge vom rechten Vorhof in den linken Vorhof gelangen und so zu Verschlüssen im arteriellen System wie Schlaganfällen oder Thrombembolien führen können.

Verschiedene Studien zeigen, dass ein Verschluss eines persistierenden Foramen ovale bei Patient:innen, die bereits einen Schlaganfall hatten, das Auftreten von weiteren kardialen Ereignissen verhindern kann. Insbesondere Patient:innen  unter 60 Jahren profitieren von einem PFO-Verschluss. Für diesen Eingriff können unterschiedliche Systeme genutzt werden. Mittlerweile ist der PFO-Verschluss auch mithilfe eines Nahtsystems möglich, bei dem kein Fremdmaterial im Körper verbleibt. Grundlage für die Durchführung dieses Eingriffs ist eine ausführliche Anamnese und Diagnostik.

Das Vorhofohr, eine kleine Ausstülpung am linken Vorhof, ist bei Vorhofflimmern ein häufiges Areal für die Bildung von Blutgerinnseln, die Schlaganfälle auslösen können.

Für Patient:innen, bei denen Blutverdünner nicht infrage kommen, gibt es als Alternative den katheterbasierten Verschluss des Vorhofohrs mit einem Okkluder, der das Schlaganfallrisiko verringert.

LAA-Verschluss

Das linke Herzohr (left atrial appendage LAA) ist eine Ausbuchtung des linken Vorhofs. Es dient als Blutreservoir und weist eine starke Trabekularisierung auf, die zur Stase von Blut und auch zu verstärkter Thrombenbildung führt. Bei Patient:innen mit Vorhofflimmern treten mehr als 90 Prozent der Thromben im linken Vorhofohr als Ursache für ischämische Schlaganfalle auf.

Um das drei- bis fünffach erhöhte Schlaganfallrisiko bei Patient:innen mit Vorhofflimmern zu vermindern, wird bei allen Patient:innen mit einem hohen Schlaganfallrisiko eine medikamentöse Therapie mit Antikoagulantien (Blutverdünnern) empfohlen. Allerdings bringt die Blutverdünnung auch ein erhöhtes Risiko für Blutungen mit sich, insbesondere bei Patient:innen mit einem aufgrund von anderen Erkrankungen bereits bestehendem erhöhten Blutungsrisiko. Auch kann aus anderer Indikation die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten kontraindiziert sein.

Für Patient:innen mit hohem Schlaganfall- und Blutungsrisiko besteht als alternative Therapieoption der Verschluss des linken Vorhofohres. Dieser kann mittels eines Okkluders oder auch chirurgisch erfolgen. Am DHZC stehen sämtliche Methoden des Verschlusses des linken Vorhofohres zur Verfügung. Auch wissenschaftlich wird diese Methode intensiv begleitet. So finden modernste Planungsmethoden Eingang in die klinische Praxis.

Interdisziplinäre Behandlung am DHZC

Das Kardio-Neuro-Board

Um die Patient:innen optimal und individuell therapieren zu können, wurde ein kardiologisch-neurologisches Board bestehend aus Spezialist:innen verschiedener Fachdisziplinen campusübergreifend am DHZC und an der Charité geschaffen. In diesem Expertengremium werden komplexe Patientenfälle besprochen und die weitere Therapie festgelegt. In den Besprechungen geht es vor allem um Patient:innen mit Vorhofflimmern, die bereits einen Schlaganfall hatten und/oder zusätzlich ein offenes Foramen ovale (PFO) haben, was das Risiko für Schlaganfälle und Hirnblutungen erhöht.

Im Kardio-Neuro-Board werden die diagnostischen Befunde der Patient:innen aus Sicht der Neurologie und der Kardiologie diskutiert. Auf dieser Basis legen unsere Expert:innen fest, ob zur weiteren Behandlung zum Beispiel ein interventioneller PFO- oder LAA-Verschluss notwendig ist. Durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit wird sichergestellt, dass die Patient:innen auf Basis ihres individuellen Risikoprofils die optimale Therapie nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen erhalten.

Anmeldungen von Patient:innen

Anmeldungen von Patient:innen für eine Evaluation der Therapieoptionen sind möglich:

Organisationsteam des Kardio-Neuro-Boards

Prof. Dr. Jan Friedrich Scheitz
Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin

Prof. Dr. Carsten Skurk
Deutsches Herzzentrum der Charité (DHZC), Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin, Campus Benjamin Franklin

Autoren

Prof. Dr. med. Carsten Skurk | Stellv. Klinikdirektor, Leiter Cardiac Arrest Center, Leiter Intensivmedizin CBF

Prof. Dr. med. Carsten Skurk ist stellvertretender Leiter der Klinik für Kardiologie Campus Benjamin Franklin am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) und dort Leiter des Cardiac Arrest Center und Leiter Intensivmedizin.

Dr. med. univ. Markus Reinthaler | Leiter Strukturelle Herzerkrankung

Dr. med. univ. Markus Reinthaler leitet den Bereich Strukturelle Herzerkrankungen an der DHZC-Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Campus Benjamin Franklin.