Kunstherzen
Das Kunstherz-Programm am DHZC
„Mechanische Kreislaufunterstützungssysteme“ ist ein Oberbegriff für alle Systeme, die den Blutkreislauf unterstützen oder ersetzen. Man unterscheidet zwischen Kurz- und Langzeitsystemen. Bei Kurzzeitsystemen handelt es sich um Geräte, die außerhalb des Körpers liegen. Wenn das Herz sich nicht erholen kann oder eine Erholung länger dauert, werden ventrikuläre Unterstützungssysteme – Langzeitsysteme – eingesetzt. Sie werden meist VAD (von engl.: "Ventricular Assist Device") oder auch Kunstherz-Systeme genannt und bestehen aus einer kleinen Pumpe, die die Chirurgin bzw. der Chirurg direkt am Herz der Patientin bzw. des Patienten einsetzt. Die Pumpe ist durch ein Kabel mit einer Steuereinheit und Akkus außerhalb des Körpers verbunden, die die Patientin bzw. der Patient in einem kleinen Rucksack mit sich trägt.
In selten Fällen kommt ein kompletter Herzersatz mit einem Kunstherz zum Einsatz. Das betrifft Patient:innen, bei denen die beiden Herzkammern stark beschädigt sind. Bei ihnen muss das Herz komplett ersetzt werden. In diesem Fall wird das eigene erkrankte Herz aus dem Brustkorb entfernt.
Die meisten Patient:innen mit einem VAD können ein weitgehend normales Leben führen, ihrem Beruf nachgehen und Sport treiben. Über die Hälfte der Patient:innen stehen auf der Warteliste für ein Spenderherz. Immer häufiger sind Kunstherz-Systeme aber auch eine dauerhafte Alternative zur Transplantation, weil nicht genügend Spender zu Verfügung stehen oder weil der Zustand der Patientin oder des Patienten eine Transplantation nicht zulässt. In einigen Fällen erholt sich das Herz der Patientin oder des Patienten während der Entlastung durch die künstliche Pumpe, sodass sie wieder entfernt werden kann. Das Deutsche Herzzentrum der Charité betreibt das größte Kunstherz-Programm der Welt.
Das "Heartmate 3" ist die derzeit modernste implantierbare Kreislaufpumpe (LVAD) auf dem Markt. Der Rotor dieses Pumpsystems ist nicht mechanisch mit dem Gehäuse verbunden, sondern wird durch Magnetkräfte zum Schweben gebracht. So soll eine Schädigung des durch die Pumpe strömenden Blutes vermieden werden.
(Bild: DHZC)
Typen der mechanischen Kreislaufunterstützung
Bei Kurzzeitsystemen handelt sich um Geräte, die außerhalb des Körpers liegen, wie die ECLS oder das Impella-System.
Der Begriff ECLS steht für "extra-corporeal life support" und bezeichnet ein Verfahren zur kurzfristigen Unterstützung bzw. zum Ersatz der Herz- und Lungenfunktion, wenn andere Maßnahmen nicht wirken und eine Unterversorgung des Gehirns – aber auch aller anderen Organe – akut verhindert werden muss.
Das ECLS-Gerät wird durch Kanülen in zwei großen Blutgefäße mit dem Kreislaufsystem der Patientin bzw. des Patienten verbunden. Es pumpt Blut kontinuierlich durch einen Oxygenator, der den Gasaustausch in der Lunge ersetzt: Er entfernt Kohlendioxid aus dem Blut und reichert es mit Sauerstoff an. Das so aufbereitete Blut wird dann zur Patientin bzw. zum Patienten zurückgeführt.
Impella ist der Handelsname eines " mikroaxialen Pumpsystems", das über die Blutgefäße von der Leiste oder über die Schlusselbeinarterie bis ins Herz vorgeschoben wird und kontinuierlich bis zu sechs Liter Blut in der Minute aus der linken Herzkammer über die Aortenklappe in die Hauptschlagader pumpen kann. Das Herz wird auf diese Weise aktiv entlastet, der Blutkreislauf unterstützt und somit die Voraussetzung für weitere kardiologische oder herzchirurgische Notfallmaßnahmen geschaffen.
In einigen Fällen, besonders bei Patient:innen mit schwerem kardiogenen Schock, werden beide Systeme gleichzeitig verwendet. Wenn sich die Organe erholt haben, wird das ECLS-System zuerst entfernt. Im weiteren Krankheitsverlauf – je nach Erholung des Herzmuskels – kann das Impella-System entweder entfernt werden oder ein implantierbares System kommt zum Einsatz, um das Herz dauerhaft zu unterstützen.
Das LVAD ist die am häufigsten angewandte Form mechanischer Kreislaufunterstützung. Die Pumpe wird in die linke Herzkammer eingesetzt und über einen kurzen Schlauch mit der Hauptschlagader (Aorta) verbunden.
Ein RVAD wird in die rechte Herzkammer oder Vorkammer implantiert und pumpt das "verbrauchte", sauerstoffarme Blut aus dem Körper in die Pulmonalarterie, durch die es in die Lunge gelangt.
Es ist auch möglich, jeweils eine Pumpe an beiden Seiten des Herzens einzusetzen. Damit wird die komplette Herzfunktion und somit der Körper- und Lungenkreislauf unterstützt.
Das TAH ersetzt das menschliche Herz. In einer Operation wird das Herz der Patientin bzw. des Patienten vollständig entnommen und durch zwei mechanische Pumpen ersetzt. So werden der kleine und der große Kreislauf unterstützt. Dieses Verfahren wird allerdings nur selten angewendet.
Operation zum Einsatz des Systems
Die Operation zum Einsatz des Systems wird am offenen Herzen mit oder ohne Durchtrennung des Brustbeines oder minimalinvasiv durchgeführt. Welche Art der Operation infrage kommt, klärt die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt individuell gemeinsam mit der Patientin bzw. dem Patienten. Bei der Standardoperation wird der Patientin bzw. dem Patienten das Brustbein durchtrennt und das Herz freigelegt. Meistens wird die Patientin bzw. der Patient an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die die Funktion dieser beiden Organe übernimmt. Auf dem linken Ventrikel (LVAD) und rechten Vorhof (BVAD) wird eine Haltevorrichtung angebracht, die Wand der Herzkammer wird ausgestanzt und die Einflusskanüle der Pumpe in die Herzkammer eingeführt. Mittels der Haltevorrichtung wird sie in der richtigen Position fixiert. Die Ausflusskanüle der Pumpe wird mit der Aorta oder der Lungenarterie (BVAD) verbunden.
Am DHZC können VAD oft auch mit minimalinvasiver Technik eingesetzt werden, was für die Patient:innen wesentlich schonender ist. Der Eingriff erfolgt über zwei kleine Einschnitte links und rechts am Brustkorb. Dabei muss das Brustbein nur teilweise durchtrennt werden. Eine am Deutschen Herzzentrum der Charité entwickelte OP-Methode ermöglicht es sogar, VAD ohne jede Durchtrennung des Brustbeins und ohne Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine einzusetzen.
Welche Methode für welche Patientin oder welchen Patienten infrage kommt, muss individuell entschieden werden.
Eine Kreislaufpumpe vom Typ "Heartware HVAD" und ihre Lage am Herzen.
(Bild: Heartware)
VAD-Typen
Das im DHZC am häufigsten verwendete VAD-System ist das "Heartmate 3" der Firma Abbott. Bei kleinen Kindern oder in seltenen Fällen auch bei Erwachsenen wird das System „BerlinHeart EXCOR“ verwendet. Welches System sich am besten eignet, entscheidet die Chirurgin bzw. der Chirurg gemeinsam mit der Patientin bzw. dem Patienten.
Das System Heartmate 3 ist das derzeit modernste LVAD auf dem Markt. Der Rotor dieses Pumpsystems ist nicht mechanisch mit dem Gehäuse verbunden, sondern wird durch Magnetkräfte zum "Schweben" gebracht. So soll eine Schädigung des durch die Pumpe strömenden Blutes vermieden werden. Das Heartmate 3 erzeugt einen künstlichen Pulsschlag, der Komplikationen wie der Bildung von Thrombosen innerhalb des Geräts und Blutungskomplikationen im Magen-Darm-Trakt entgegenwirken soll. Das DHZC gehört zu den weltweit ersten Anwendern dieses Systems und verfügt über umfangreiche Erfahrung mit dem Heartmate 3.
Dieses System ist seit seiner Zulassung weltweit bereits über 20.000 Mal implantiert worden und hat sich entsprechend bewährt. Am DHZC wurde das System bis Juni 2021 über 1.000 Mal implantiert.
Seit Juni 2021 bietet die Firma Medtronic das System jedoch nicht mehr an. Unsere Patient:innen, denen ein Heartware HVAD implantiert wurde und die weiterhin – teilweise bereits seit mehr als 13 Jahren - damit leben, versorgen wir natürlich weiterhin in vollem Umfang. Es ist kein Wechsel zu einem anderen System notwendig.
Komplikationen und Langzeitverlauf
Die häufigsten Komplikationen bei der Implantation sind die Bildung von Blutgerinnseln aufgrund der künstlichen Bestandteile des Systems sowie Infektionen an der Austrittsstelle des Strom- und Steuerungskabels. VAD-Patient:innen müssen deshalb dauerhaft Medikamente zur Blutverdünnung einnehmen und der Verband an der Austrittsstelle muss regelmäßig gewechselt werden.
Viele unserer Patient:innen leben über fünf Jahre mit VAD-Systemen, einige Patient:innen werden seit über zehn Jahren mit einem VAD-System unterstützt. Derzeit wird an Systemen geforscht, die den Strom drahtlos ins Körperinnere übertragen und damit das Infektionsrisiko weiter senken.
Prof. Dr. med. Evgenij Potapov arbeitet als Oberarzt in der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) und leitet dort das Programm für mechanische Kreislaufunterstützung.
(Bild: DHZC)
Das VAD-Programm am DHZC
Der Erfolg einer VAD-Implantation hängt von der rechtzeitigen Operation und vor allem von einer kontinuierlichen Nachsorge ab. Das DHZC verfügt deshalb über eine eigene VAD-Ambulanz, in der alle VAD-Patient:innen nachbetreut werden. Den Patient:innen steht zudem unsere VAD-Hotline 24 Stunden am Tag zur Verfügung, um medizinische oder technische Fragen jederzeit zu klären.
Nach 160 Tagen Entlastung durch ein Kunstherz erholte sich das schwerkranke Herz eines 38-jährigen Thüringers so gut, dass das Kunstherz 1994 im Deutschen Herzzentrum der Charité explantiert werden konnte und dem Patienten eine Transplantation erspart blieb. Dies war weltweit der erste Fall. Seitdem konnten am DHZC über 100 linksventriküläre Unterstützungssysteme wieder explantiert werden, weil sich der Herzmuskel der Patientin bzw. des Patienten erholt hat.
Unsere Klinik verfügt über ein spezielles Programm zur Verbesserung des Erholungspotentials des Herzmuskelgewebes und hat Verfahren entwickelt, mit denen die Erholung des Herzmuskels beurteilt werden kann. Um den Herzmuskel bei der Explantation des VAD nicht zu sehr zu schädigen, wurde ein spezielles Verschlusssystem entwickelt, das für jede Patientin bzw. jeden Patienten individuell angefertigt wird und das die Explantation extrem vereinfacht.
Das DHZC ist ein führendes Zentrum im Bereich der mechanischen Kreislaufunterstützung (MCS) weltweit. Seit Jahren wird am DHZC die weltweit größte Anzahl der Patient:innen pro Jahr mit dauerhaften LVAD versorgt. Die Mitarbeiter:innen des MCS-Teams leiten Ausbildungsseminare und werden weltweit bei komplexen Operationen in Kliniken eingeladen, um die Operateur:innen zu unterstützen. Das MCS-Team kooperiert mit deutschen und internationalen wissenschaftlichen Einrichtungen bei der Entwicklung neuer MCS-Systeme. Am DHZC wurden zahlreiche Innovationen im Bereich der mechanischen Kreislaufunterstützung wie moderne schonende Operationsverfahren oder minimalinvasive Behandlung von Komplikationen entwickelt. Die als "DHZC-Richtlinien" erarbeiteten Behandlungsmethoden werden international akzeptiert.