Hypoplastisches Linksherzsyndrom (HLHS)
Beim Hypoplastischen Linksherzsyndrom (HLHS) sind die Strukturen des linken Herzens zu klein ausgebildet. Die Folge ist, dass die linke Herzkammer nicht oder nur teilweise zur Versorgung des Körperkreislaufes beitragen kann. Typischerweise findet sich eine
- hochgradige Enge oder ein Verschluss der Aortenklappe (Aortenstenose, -atresie) und/oder Mitralklappe (Mitralstenose, -atresie)
- eine wenig ausgebildete linke Pumpkammer (Hypoplasie oder Aplasie)
- eine Hypoplasie (Unterentwicklung) der aufsteigenden Aorta und des Aortenbogens und ein intaktes Ventrikelseptum (IVS).
Heute wird der Begriff HLHS für extreme Formen der Linkshypoplasie angewandt, die eine von der rechten Kammer abhängigen Körperkreislauf zur Folge haben.
Wichtige Informationen für Ärzte
Es handelt sich um einen kritischen hochkomplexen Herzfehler mit ductusabhängiger Systemzirkulation. Oft wird die Diagnose pränatal im Rahmen einer Feindiagnostik gestellt. Anschließend ist eine ausführliche Beratung der werdenden Eltern über die therapeutischen Optionen, am besten durch einen erfahrenen Kinderkardiologen, zu empfehlen.
Als lebensrettender Behandlungsansatz besteht für das Neugeborene mit Hypoplastischem Linksherzsyndrom eine Operationsindikation, mit dem ersten Operationschritt, der Norwood I Operation, in der Regel innerhalb der ersten Lebenswoche. Idealerweise sollte das Kind unmittelbar nach der Entbindung durch einen Neonatologen versorgt und die Diagnose durch einen Kinderkardiologen echokardiographisch gesichert werden. Nach intravenöser Gabe von Prostaglandinen (5-10 ng / kg / min) sollte zeitnah die Verlegung zur operativen Versorgung erfolgen (DHZB Notfall-Hotline: 030 4593-1000).
Timing: In den ersten Lebenswochen, wenn das Neugeborene kreislaufstabil ist.
Zwei weitere Operationen sind im Alter von 4-6 Monaten und ca 2 Jahren erforderlich, bis die Fontanpalliation erreicht ist.
Diagnose
Pränatalscreening (Feindiagnostik im 2. Trimenon durch spezialisierte Frauenärzte) und postnatales Echokardiogramm durch einen Kinderkardiologen. Ergänzend ggfs. Herzkatheter, nur bei unklarer Anatomie (V. a. Lungenvenenfehlmündung).
Symptome
Kinder mit einem Hypoplastischen Linksherzsyndrom (HLHS) sind meist zyanotisch (blau) oder sehr blass und haben eine schlechte periphere Durchblutung. Eine angestrengte Atmung ist häufig, ebenso ein sehr schneller Herzschlag (Tachykardie) sowie schwache Pulse.
Ursache
Sauerstoffreiches Blut kann nicht direkt aus der linken Herzkammer in die Körperschlagader (Aorta) fließen, da die Aortenklappe verengt oder ganz verschlossen ist. Das sauerstoffreiche Blut weicht durch das (noch) offene Foramen ovale aus dem linken Vorhof in den rechten Vorhof aus und vermischt sich mit sauerstoffarmem Blut. Das gemischte Blut fließt dann aus der rechten Herzkammer über die Lungenarterie (Pulmonalarterie, Lungenschlagader) und teilt sich am ebenfalls noch offenen Ductus arteriosus auf. Ein Teil fließt zur Lunge und wird dort mit Sauerstoff angereichert. Der andere Teil fließt je in die auf- und absteigende Aorta, um Kopf, Arme, Herzkranzgefäße, Körpermitte und Beine zu versorgen. Vereinfacht gesagt versorgt nur eine Herzkammer sowohl die Lungen- als auch den Körperkreislauf mit Mischblut.
Im Mutterleib wächst das Kind meist normal. Nach der Geburt schließen sich die pränatal vorhandenen Kurzschlussverbindungen, nämlich das Foramen ovale (Loch zwischen der rechten und linken Vorkammer) und der Ductus arteriosus (Verbindung zwischen der Lungen- und Körperschlagader) normalerweise innerhalb der ersten Lebensstunden bis zum etwa dritten Lebenstag. Wenn der Ductus arteriosus sich verschließt, erhält der Körperkreislauf kaum noch Blut und das Baby erleidet einen Kreislaufschock.
Lebensrettend ist die Infusion mit dem Medikament Prostaglandin, um den Ductus arteriosus offen zu halten bzw. wieder zu öffnen. Die erste von drei Operationen ist zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag notwendig.
Therapie
Operationen nach Norwood sind eine Reihe von chirurgischen Eingriffen, die als lebensrettende Erstmaßnahme bei Neugeborenen mit Hypoplastischem Linksherzsyndrom (HLHS) angewendet werden. Diese Verfahren zielen darauf ab, den Blutkreislauf so umzustrukturieren, dass der rechte Ventrikel die Funktion des unterentwickelten linken Ventrikels übernehmen kann, indem er das Blut sowohl in die Lunge als auch in den restlichen Körper pumpt. Sie stellen den kritischen ersten Schritt dar, der das Überleben des Kindes sichert und die Grundlage für spätere korrektive Operationen legt.
Norwood-1-Operation
Das Ziel der Operation ist, zu gewährleisten, dass die einzige vorhandene, vollständig ausgebildete, rechte Herzkammer den Körper- und Lungenkreislauf gleichermaßen mit Blut versorgen kann.
Zunächst wird der Stamm der Lungenarterie (Pulmonalarterie, PA) vom Herzen abgetrennt. Weiterhin wird die Kurzschlussverbindung von der Lungenarterie zur Aorta (PDA) durchtrennt (gestrichelte Linie). Nun wird die verkümmerte Aorta im gesamten Bogen bis über die Engstelle (ISTA) aufgeschnitten (gestrichelte Linie). Um zu gewährleisten, dass der Körperkreislauf ausreichend mit Blut versorgt wird, wird der aufgeschnittene Bogen der Aorta mit einem Flicken erweitert und an der Wurzel mit dem Stamm der Lungenarterie verbunden. Dadurch wird der verkümmerte Anfangsteil der Aorta wesentlich weiter und die Engstelle hinter dem Bogen (ISTA) wird ebenso erweitert. Um die Lunge aus einer sicheren Quelle mit Blut zu speisen, wird ein Kunststoffröhrchen (Shunt) zwischen dem Ast der Aorta und der Lungenarterie eingenäht.
Das Ziel der Operation ist erreicht
Das Mischblut aus der Herzkammer fließt nun ungehindert in die Aorta, da der verkümmerte Anfangsteil und die Verengung hinter dem Bogen mit einem Flicken erweitert wurden. Die Blutversorgung der Lunge ist mittels des Kunststoffröhrchens zwischen der Aorta und Lungenarterie sichergestellt.
Glenn-Operation (Norwood-Stufe-2)
Die rechte Herzkammer, die normalerweise nur die Lunge durchblutet, versorgt nach der Norwood-1-Operation den gesamten Körper mit Blut. Für längere Zeit wäre diese Herzkammer damit sicher überfordert, denn normalerweise versorgt diese Herzkammer nur den Lungenkreislauf und nicht den Systemkreislauf. Ein weiterer Nachteil ist, dass in beiden Kreisläufen nur gemischtes Blut fließt. Als nächster Schritt zur Kreislauftrennung wird daher im Alter von drei bis fünf Monaten die Glenn-Operation durchgeführt, hierbei wird das Kunststoffröhrchen entfernt und die obere Hohlvene wird direkt mit der rechten Lungenschlagader verbunden. Durch dieses Vorgehen wird die rechte Herzkammer, die bisher eine erhöhte Arbeitsbelastung hatte, teilweise entlastet und das Blut wird passiv durch den Venendruck durch die Lunge geleitet. Dadurch erleben die betroffenen Kinder einen normalen Entwicklungsstand.
Die Glenn-Operation wird am DHZC gegenüber der Hemifontan-Operation favorisiert.
Fontan-Operation (Norwood-Stufe-3)
Bei der Glenn-Operation wird erreicht, dass das sauerstoffarme Blut aus der oberen Hohlvene direkt in die Lunge fließt und sich nicht mehr mit dem sauerstoffreichen Blut aus der Lunge in der gemeinsamen Herzkammer mischt. Das Blut aus der unteren Hohlvene ist jedoch noch nicht umgeleitet worden, weil die Lungengefäße noch nicht „groß genug“ waren, um das gesamte Blut aus dem Körperkreislauf aufzunehmen. Um die einzige Herzkammer besser zu entlasten, muss das Blut aus der unteren Hohlvene ebenfalls direkt in die Lunge, statt in die gemeinsame Herzkammer geleitet werden.
Hierbei gibt es verschiedene Techniken. Die heute am häufigsten verwendete ist die totale cavopulmonale Anastomose (TCPC), bei der eine Röhre (Tunnel) außen am Herzen vorbeigeführt wird und die Vene mit der Lungenschlagader verbindet. Diese Art der Zuleitung des Venenblutes zur Lunge wurde zuerst von dem Franzosen Francis Fontan in den 1980er Jahren entwickelt und so nennt man den Kreislauf, den man damit erreicht auch Fontankreislauf. Bei der Fontanoperation wird die untere Hohlvene in Form eines Goretex-Tunnels außerhalb des Herzens mit der Lungenschlagader verbunden. So sind Lungen- und Körperkreislauf ganz voneinander getrennt.
Das Ziel der Operation ist erreicht
Die Blutkreisläufe sind getrennt worden. Es fließt kein Mischblut in der Aorta mehr. Sauerstoffarmes Blut fließt über die obere und untere Hohlvene direkt in die Lungenarterie. Das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge wird von der Herzkammer in die Aorta gepumpt. Diese ist mit einem Flicken bis über die Engstelle hinter dem Aortenbogen (ISTA) in der ersten Operation erweitert worden. Die Herzkammer pumpt nur noch in den Körperkreislauf.
Prognose
Die Prognose des Kindes ist bei dem zugrundeliegenden Herzfehler und mit einem singulären Ventrikel kurz- und mittelfristig gut. Die langfristige Prognose ist schwer abschätzbar und individuell unterschiedlich, sie hängt von Entwicklung und Ausmaß von Langzeitkomplikationen ab.