ALCAPA-Syndrom
Das ALCAPA-Syndrom (Anomalous Left Coronary Artery from the Pulmonary Artery), welches auch als Bland-White-Garland-Syndrom bezeichnet wird, ist ein sehr seltener angeborener Herzfehler (ca. 0,5 % aller angeborenen Herzfehler), bei dem das linke Herzkranzgefäß von der Lungenschlagader anstatt der Hauptschlagader (Aorta) entspringt.
Dies hat zwei Folgen: In den ersten Lebenswochen sinkt bei allen Babys der Druck in der Lungenschlagader ab. Der Druck in der Lungenschlagader ist dann viel niedriger als in der Hauptschlagader, aus der normalerweise die Herzkrangefäße entspringen. Das führt bei Kindern mit einem ALCAPA-Syndrom häufig dazu, dass im Alter von wenigen Wochen bis Monaten nicht mehr genug Blut in das linke Herzkranzgefäß zur Versorgung des Herzmuskels kommt. Diese Unterversorgung macht sich dann mit einer Herzschwäche bemerkbar.
Zusätzlich fließt in der Lungenschlagader nur sauerstoffarmes Blut, welches aus dem Körper in Richtung Lunge transportiert wird. Daher erhält auch die fehlentspringende Koronararterie nur sauerstoffarmes Blut und nicht wie sonst sauerstoffreiches Blut. Dies verstärkt eine Unterversorgung des Herzmuskels zusätzlich. Eine Sauerstoffunterversorgung des Herzmuskels (Ischämie) kann zu einer erheblichen Funktionseinschränkung und bei längerem Bestehen dieser Sauerstoffarmut auch zu einem irreversiblen Untergang von Herzmuskel (Infarkt) führen.
Die linke Herzkranzarterie versorgt die linke Herzkammer, die das sauerstoffreiche Blut über die Hauptschlagader in den Körper pumpt. Eine Herzschwäche in diesem Bereich ist daher besonders kritisch. Abhängig von den ausgebildeten Verbindungen (Kollateralen) zur rechten Koronararterie, die korrekt aus der Aorta entspringt, variieren die Symptome der Patient:innen. So kann es schon im Alter von wenigen Lebenswochen, wenn der Lungengefäßwiderstand sinkt, zu erheblichen Symptomen kommen. Bei anderen Patient:innen mit guter Kollateralversorgung kann ein ALCAPA-Syndrom hingegen auch lange unbemerkt bleiben.
Wie entsteht der Herzfehler?
Beim ALCAPA-Syndrom kommt es zu einer fehlerhaften Anlage des linken Herzkranzgefäßes bereits früh in der Entwicklung des Kindes im Mutterleib. Die Gründe für diese Fehlentwicklung sind nicht vollständig geklärt. Man nimmt allerdings an, dass viele verschiede Faktoren und Umwelteinflüsse eine Rolle spielen. Meistens tritt das ALCAPA-Syndrom als isolierter Herzfehler auf, was bedeutet, dass es selten begleitende Fehlbildungen im Herzen gibt. Allerdings besteht aufgrund der eingeschränkten Funktion der linken Herzkammer häufig auch eine variable Undichtigkeit der Mitralklappe.
Was bedeutet das für das Herz und den Kreislauf?
Wie beschrieben führt ein ALCAPA-Syndrom zu einer Unterversorgung der linken Herzkammer, welche sich meist in den ersten Lebenswochen bis Monaten bemerkbar macht. Die linke Herzkammer kann dann nicht mehr ausreichend das Blut aus der Lunge in den Körper pumpen. Die Kinder zeigen Symptome einer Herzschwäche mit schneller Atmung, Schwitzen, schnellem Ermüden und Trinkunlust. Eine reduzierte Pumpfunktion mit großer linker Herzkammer behindert häufig auch das Schließen der Mitralklappe, die den linken Vorhof von der linken Herzkammer trennt. Eine Undichtigkeit der Mitralklappe kann die Symptome noch verstärken.
In Ausnahmefällen kann sich der Herzfehler bei sehr guter Kollateralversorgung (Gefäßverbindungen von der normal entspringenden rechten Herzkranzarterie zur falsch entspringenden linken Herzkranzarterie) auch erst später, teilweise sogar erst im Erwachsenenalter bemerkbar machen. Bei diesen Patient:innen besteht vor allem das Risiko für Herzrhythmusstörungen, die zu einem plötzlichen Herztod führen können. Der Herzfehler sollte daher in jedem Lebensalter auch bei wenig Symptomen behoben werden.
Symptome
Abhängig davon, wie gut ausgeprägt die Kollateralversorgung ist, treten bei Ihrem Kind früher oder später Symptome auf. Wenn kaum Kollateralen vorhanden sind, kann es bereits kurz nach der Geburt oder im Laufe der ersten Lebensmonate (wenn der Lungengefäßwiderstand fällt) zu Symptomen von Herzschwäche kommen. Dazu zählen etwa schnelles Erschöpfen, Schwitzen oder Luftnot. Bei einer starken Einschränkung der Pumpfunktion kann das auch schnell zu einer lebensbedrohlichen Situation führen, wenn das Herz kaum noch Blut in den Körper zur Versorgung der Organe pumpen kann („Low Cardiac Output“).
Sind die Kollateralgefäße allerdings sehr gut ausgeprägt, können sich die Symptome erst später, in seltenen Fällen sogar erst im Erwachsenenalter äußern. Diese Patient:innen haben allerdings auch bei guter Kollateralversorgung keine normale, ausreichende Blutversorgung des Herzmuskels, sodass unbehandelt ein Risiko für Herzrhythmusstörungen und einen plötzlichen Herztod besteht.
Eine Minderversorgung der linken Herzkranzarterie kann darüber hinaus auch zu einer erheblichen Undichtigkeit der linksseitigen AV-Klappe (Mitralklappe) führen. Durch diese Undichtigkeit kann sich das Blut zurück in die Lunge stauen, was zu Lungenhochdruck und Herzinsuffizienz führen kann. Dies äußert sich durch Atemnot, erhebliche Belastungseinschränkung sowie vermehrten Atemwegsinfekte. Eine erhebliche Ausdünnung der Herzwand (Aneurysma) durch das Zugrundegehen von Herzmuskulatur ist ebenfalls möglich. Auch gefährliche Herzrhythmusstörungen können durch die Sauerstoffunterversorgung des Reizleitungssystems auftreten.
Bei Diagnosestellung sollte daher zügig eine Operation erfolgen.
Therapie
Ein ALCAPA-Syndrom wird normalerweise durch einen sogenannten „Koronartransfer“ behandelt. Dabei wird die falsch entspringende linke Herzkranzarterie von der Lungenarterie auf die Hauptschlagader umgelegt. Der Eingriff wird nach Eröffnen des Brustbeins unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine und im Herzstillstand durchgeführt. Dabei wird die fehlabgehende linke Herzkranzarterie an ihrem Ursprung aus der Lungenschlagader mit etwas Randsaum zum Nähen ausgeschnitten. Anschließend wird das Gefäß vorsichtig etwas aus dem Gewebe gelöst, um es beweglicher zu machen. Es ist wichtig, dass kein Zug auf das Gefäß kommt, da es ansonsten erneut zur Sauerstoffunterversorgung von Teilen des Herzens kommen kann. Danach wird die Herzkranzarterie an einer passenden Stelle in der Hauptschlagader wieder eingenäht. Das entstandene „Loch“ in der Lungenschlagader wird mit einem kleinen Flicken aus eigenem Herzbeutel verschlossen. Meist besteht zum Zeitpunkt der Operation bereits eine leicht- bis mittelgradige Undichtigkeit der Mitralklappe. Eine geringe Undichtigkeit verbessert sich normalerweise nach der Operation durch die verbesserte Sauerstoffzufuhr. Ist die Undichtigkeit allerdings hochgradig, kann es vorkommen, dass in derselben Operation eine Reparatur der Mitraklappe vorgenommen werden muss.
Liegt bereits vor der Operation durch die chronische Sauerstoffminderversorgung eine deutlich eingeschränkte Pumpfunktion der linken Kammer vor (LVEF < 35%), so kann es auch bei geglückter Operation zunächst zu einer anhaltenden Funktionseinschränkung der linken Herzkammer kommen. In einigen Fällen braucht das Herz zunächst noch eine Unterstützung durch den Einsatz eines mechanischen Kreislaufunterstützungssystems. Dies kann jedoch in den meisten Fällen nach einer ausreichenden Erholungszeit des Herzens und mit wieder hergestellter Pumpfunktion entfernt werden.
Kann sich mein Kind nach der Operation normal belasten?
Konnte eine rechtzeitige Korrektur mit Umsetzen der linken Koronararterie auf die Hauptschlagader ohne erhebliche Funktionseinschränkungen der linken Herzkammer erfolgen, so ist nach dem Krankenhausaufenthalt und einer entsprechenden Erholungszeit grundsätzlich eine normale Belastung möglich. In den meisten Fällen wird eine zum Zeitpunkt der Operation bestehende geringe bis mäßige Mitralklappenundichtigkeit toleriert, da sich diese meistens über die Zeit erholt. Dies braucht allerdings etwas Zeit, sodass es nach der Operation zunächst noch zu Leistungseinschränkungen aufgrund dieser Klappenundichtigkeit kommen kann. Das Brustbein, welches wir bei dieser Operation längs durchtrennen müssen, braucht in der Regel etwa 4-6 Wochen, um wieder vollständig zu verheilen und stabil zu sein. Danach steht einer normalen Belastung prinzipiell nichts im Wege.
Was benötigt mein Kind nach der Behandlung?
Wie oben beschrieben, neigt die linksseitige AV-Klappe (Mitralklappe), deren Halteapparat durch die chronische Sauerstoffunterversorgung in Mitleidenschaft gezogen wurde, zu späteren Undichtigkeiten, die durch regelmäßige Ultraschallkontrollen bei niedergelassenen Kinderkardiolog:innen kontrolliert werden sollte. Auch die Funktion der linken Herzkammer sollte nach erfolgter Korrektur weiter im Auge behalten werden.
Lebensqualität und Lebenserwartung
Konnte eine ALCAPA-Korrektur frühzeitig durchgeführt werden, können die Patient:innen mit einer normalen Lebensqualität und in der Regel auch einer normalen Lebenserwartung rechnen. Allerdings sind weitere Kontrollen bei niedergelassenen Kinderkardiolog:innen unabdingbar, um diese Lebensqualität aufrechtzuhalten. Eine eventuelle Undichtigkeit der Mitralklappe sollte früh erkannt werden, um einen Rückstau des Blutes in die Lunge und damit einer erneuten Herzinsuffizienz vorzubeugen.
Sind erneute Interventionen oder Operationen erforderlich?
Falls die Undichtigkeit der Mitralklappe weiter zunimmt und es zum Rückstau des Blutes in die Lunge kommt, sind im weiteren Verlauf Eingriffe an der Mitralklappe erforderlich. Dies kann in den meisten Fällen durch eine Reparatur der Klappe erfolgen. Ist eine Reparatur nicht möglich, muss die Klappe ersetzt werden. Ein zu langsamer Herzrhythmus, der durch eine Minderversorgung von Teilen des Reizleitungssystems zustande kommt, muss eventuell durch eine Schrittmacher-Implantation behoben werden.
Behandlung am DHZC
Da es sich beim ALCAPA-Syndrom um einen sehr seltenen angeborenen Herzfehler handelt und für die erfolgreiche Behandlung das Umsetzen der Herzkranzarterie technisch einwandfrei erfolgen muss, sollte eine Behandlung der Patient:innen in Zentren mit großer Expertise erfolgen. Am DHZC haben wir sehr viel Erfahrung mit der Versorgung von Kindern und Erwachsenen mit ALCAPA-Syndrom. Da wir auch bei anderen Herzfehlern die Herzkranzgefäße schon im Neugeborenenalter und auch bei schwierigen Verhältnissen (Koronaranomalien) umsetzen, führen wir diese „Koronartransfers“ regelmäßig und mit sehr guten Resultaten durch. Diese Routine bei einem so seltenen und komplexen Herzfehler macht sich im sehr guten postoperativen Verlauf unserer Patient:innen bemerkbar.