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Mit dem Hühnerei gegen Herzschwäche

Neue Ansätze in der tierversuchsfreien Forschung

Wenn ein erkranktes Herz zwar noch gut pumpt, sich aber nicht mehr ausreichend mit Blut füllen kann, sprechen Fachleute von einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion, kurz HFpEF (Heart Failure with preserved Ejection Fraction). Diese Form der Herzschwäche wird derzeit am häufigsten diagnostiziert – zugleich stehen bislang nur wenige gezielte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Forschende, die das ändern wollen, arbeiten häufig mit Tierversuchen an Ratten oder Mäusen. Solche Experimente erfordern jedoch sorgfältige ethische Abwägungen, aufwändige Genehmigungsverfahren – und sind entsprechend kostenintensiv.

Ein Team um Dr. Jana Grune und Dr. Niklas Hegemann vom Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) sowie Dr. Bianca Nitzsche vom Institut für Physiologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin arbeitet deshalb an einer Alternative: Die Forschenden wollen entsprechende Versuche künftig mit befruchteten Hühnereiern durchführen – anstelle von Labormäusen.

Das Forschungsteam am DHZC und der Charité entwickelt ein tierversuchsfreies Modell zur Erforschung der diastolischen Dysfunktion mit bebrüteten Hühnereiern. Von links: Dr. Jana Grune, Dr. Bianca Nitzsche, Judith Rees und Dr. Niklas Hegemann.

Das Vier Personen des In-Ovo-Forschungsteams am DHZC und der Charité stehen im Flur des Instituts.
Das Vier Personen des In-Ovo-Forschungsteams am DHZC und der Charité stehen im Flur des Instituts.

Das Forschungsteam am DHZC und der Charité entwickelt ein tierversuchsfreies Modell zur Erforschung der diastolischen Dysfunktion mit bebrüteten Hühnereiern. Von links: Dr. Jana Grune, Dr. Bianca Nitzsche, Judith Rees und Dr. Niklas Hegemann.

Was zunächst ungewöhnlich klingt, basiert auf einer einfachen wissenschaftlichen Grundlage: Hühnerembryonen verfügen in den ersten zwei Wochen der Bebrütung noch über kein Schmerzempfinden. Gleichzeitig ist das Herz in diesem Stadium bereits erstaunlich weit entwickelt – und reagiert auf äußere Reize ähnlich wie das Herz von Mäusen oder Ratten.

Erste Daten zur Anwendbarkeit und zum Nutzen dieses In-ovo-Modells (lateinisch: „im Ei“) für die kardiovaskuläre Forschung veröffentlichte Niklas Hegemann gemeinsam mit seinem Team bereits 2023 in der Fachzeitschrift Basic Research in Cardiology. 

Mit dem Projekt „ShowMe“ (Simulation of Heart failure in Ovo With Microscopy and Echocardiography), gefördert von der Initiative Charité 3R, konnten Jana Grune und Bianca Nitzsche zudem zeigen, dass sich verschiedene Herzparameter im Hühnerei mithilfe hochauflösender Ultraschalltechnik präzise erfassen lassen – ohne chirurgischen Eingriff, ohne Narkose, ohne Tierhaltung und mit deutlich geringerem bürokratischen Aufwand. Denn: Bis zum 13. Bebrütungstag gelten solche Experimente nicht als Tierversuche und müssen daher nicht genehmigt werden.

Ziel der aktuellen Projektphase am DHZC ist es, ein funktionierendes Krankheitsmodell der diastolischen Dysfunktion im Hühnerei zu etablieren. Dazu sollen Risikofaktoren wie eine fettreiche Ernährung und die Gabe blutdrucksteigernder Substanzen simuliert werden. Diese Faktoren führen bei Mäusen zu Übergewicht, Insulinresistenz und Bluthochdruck – Bedingungen, die auch beim Menschen die Entwicklung von HFpEF begünstigen. Das Forschungsteam will prüfen, ob sich vergleichbare pathophysiologische Reaktionen auch im Hühnerei nachweisen lassen.

Für dieses innovative Vorhaben wurde das Team im vergangenen Sommer mit dem mit 5.000 Euro dotierten ART-Award 2024 der Schweizer Non-Profit-Organisation Animal Research Tomorrow ausgezeichnet.

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Hintergrund: Charité 3R

Charité 3R ist eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie hat das Ziel, Tierversuche durch wissenschaftlich fundierte Alternativmethoden zu ersetzen (Replace), verringern (Reduce) oder die Belastung für Versuchstiere zu mindern (Refine). Die Initiative fördert Forschungsvorhaben, die den Einsatz von Tieren in der biomedizinischen Forschung verringern und gleichzeitig die wissenschaftliche Qualität verbessern.

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