Bestechend einfach

Etwa 2000 Kinder in Deutschland brauchen wegen angeborener Herzfehler jährlich eine neue Herzklappe. Bislang stehen dafür nur Ersatzklappen aus tierischem Gewebe oder Prothesen aus Kunststoff und Metall zur Verfügung. Doch erstere rufen Immunreaktionen des Körpers hervor, sodass sie irgendwann wieder ausgetauscht werden müssen, letztere sind zwar deutlich länger haltbar, können aber gefährliche Blutgerinnsel (Thrombosen) hervorrufen.
Die Patienten müssen deshalb ihr Leben lang blutverdünnende Medikamente einnehmen.

Für Kinder haben beide Systeme noch einen entscheidenden Nachteil: Sie wachsen nicht mit. Der DHZC-Kinderkardiologe Boris Schmitt forscht deshalb mit seinem Team seit Jahren an Herzklappenprothesen, die aus eigenem Körpergewebe hergestellt werden, damit vom Organismus nicht abgestoßen werden und das Potenzial haben, mitzuwachsen.
Die Süddeutsche Zeitung hat dem Projekt „GrOwnValve“ (gebildet aus den englischen Wörtern „to grow“, „own“ und „valve“) heute eine große Seite-3-Reportage und das Titelbild gewidmet. Autorin Renate Meinhof beschreibt in ihrem Text die Entwicklungsgeschichte des Projekts und das im Grunde bestechend einfache Prinzip: Auf einer „maßgeschneiderten“, nach Patientendaten im 3D-Druck gefertigte Form wird aus dem Herzbeutel entnommenes Körpergewebe zur Herzklappe modelliert, die dann in einem dünnen Drahtgerüst aufgespannt anstelle der geschädigten Klappe eingesetzt wird.
Eine solche Ersatzklappe wäre günstig und unkompliziert einsetzbar, weltweit, also auch in ärmeren Ländern, wo Kindern mit angeborenen Herzfehlern oft nur wenig oder gar nicht geholfen werden kann. Renate Meinhof sprach mit betroffenen Familien und war auch dabei, als die Klappe am DHZC zum ersten Mal bei einem Menschen eingesetzt werden sollte. Denn nach jahrelangen klinischen Versuchsreihen ist „GrOwnValve“ jetzt für den Einsatz bei Menschen zur Erprobung in der ersten klinischen Studie, zunächst aber nur bei Erwachsenen.
Von vornherein war dem Ärzteteam und der 48-jährigen Patientin klar, dass die Größe der neuen Ersatzklappe zulassungsbedingt zunächst auf 28 Millimeter Durchmesser beschränkt ist und sie damit eventuell zu klein sein könnte. Am Ende fehlten tatsächlich wenige Millimeter. Schweren Herzens musste das Team der Patientin eine herkömmliche, größere Ersatzklappe einsetzen: „Aber es ist erst der Anfang“, schreibt sie, „die nächsten Patienten werden kommen.“