Ebstein-Anomalie der Trikuspidalklappe (Morbus Ebstein)
Die Ebstein-Anomalie ist ein sehr seltener angeborener Herzfehler. Sie betrifft die Herzklappe im rechten Herzen, die zwischen der rechten Vorkammer (Atrium) und der rechten Hauptkammer (Ventrikel) liegt. Diese Klappe nennt sich Trikuspidalklappe und sorgt dafür, dass das Blut nur vorwärts gerichtet durch das Herz und nicht zurückfließen kann. Bei der Ebstein-Anomalie ist die Trikuspidalklappe in Richtung Ventrikel verschoben. Zwei von drei Segeln heften an einem Teil des Herzens, der normalerweise zum rechten Ventrikel gehört. Das kann zu zwei Problemen führen: zum einen kann die Klappe undicht sein, zum anderen entsteht durch die anormale Lage der Klappe ein zu kleiner und zu schwacher Ventrikel.
Bei den meisten Patient:innen mit Ebstein-Anomalie besteht zusätzlich ein Defekt der Scheidewand zwischen den beiden Vorhöfen des Herzens. Durch das Loch kann sauerstoffreiches Blut aus dem linken Vorhof in den rechten Vorhof übertreten und sich dort mit sauerstoffarmem Blut vermischen. Bis zu 40 Prozent der Patient:innen mit einer Ebstein-Anomalie leiden unter einer Herzrhythmusstörung, die sich Wolf-Parkinson-White-Syndrom (WPW) nennt. Diese Herzrhythmusstörung macht sich durch Episoden von extrem schnellem Herzschlag (>200 Schläge pro Minute) bemerkbar.
Die Ebstein-Anomalie kommt in unterschiedlichen Schweregraden vor. Während die Trikuspidalklappe bei einigen Kindern kaum verschoben und kaum undicht ist, besteht bei einigen wenigen Kindern bereits im Säuglingsalter eine hochgradige Undichtigkeit und ein Versagen des zu kleinen rechten Ventrikels. In diesem Fall ist eine schnelle Operation erforderlich.
Ursache
Eine Ebstein-Anomalie entsteht noch während der Embryonalentwicklung im Mutterleib. Die genauen Ursachen für ihre Entstehung sind noch unbekannt; als Risikofaktoren werden jedoch angeborene Herzfehler in der Familie der Mutter sowie Passivrauchen der Mutter diskutiert.
Symptome
Eine Ebstein-Anomalie kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Wenn lediglich eine geringe Undichtigkeit besteht und der rechte Ventrikel ausreichend groß ist, kann Ihr Kind bis ins Erwachsenenalter hinein ohne Symptome bleiben. Ist die Klappe hingegen sehr undicht und sehr weit in Richtung Ventrikel verschoben, kann Ihr Kind bereits im Säuglingsalter eine schwere Herzschwäche entwickeln. In diesem Fall schafft die zu kleine rechte Herzkammer es nicht, das sauerstoffarme Blut vorwärts in Richtung der Lunge zu pumpen. Stattdessen fließt es durch die undichte Klappe zurück in den rechten Vorhof und durch den ASD in den linken Vorhof. Auf diesem Weg umgeht das sauerstoffarme Blut die Lunge und fließt direkt in den Körperkreislauf. Wenn zu viel sauerstoffarmes Blut in den Körperkreislauf gerät, kann dies zu einer Blaufärbung insbesondere der Lippen führen.
Die Schwäche des rechten Herzens äußert sich in Atemnot, allgemeiner Schwäche, Kaltschweißigkeit und fehlender Gewichtszunahme Ihres Kindes. Der rechte Vorhof kann durch das zurückfließende Blut gedehnt werden, was das Herz anfälliger für Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern macht.
Risiken
Solange Ihr Kind keine bis wenige Symptome hat, muss zunächst keine Operation erfolgen. Unter engmaschiger kinderkardiologischer Kontrolle kann bis in das Jugend- oder sogar Erwachsenenalter abgewartet werden. Wenn die Ebstein-Anomalie jedoch stärker ausgeprägt ist, besteht die größte Gefahr in einem Versagen der rechten Herzkammer und dem Entstehen von Herzrhythmusstörungen. Zuletzt besteht ein Risiko für Schlaganfälle durch einen oft ebenfalls vorhandenen Atriumseptumdefekt (ASD). Kommt es zu einer Thrombose (d.h. zu einem Blutgerinnsel) beispielsweise im Bein, kann dies im Blutstrom zum Herzen weitergetragen werden und in seltenen Fällen durch den ASD in die linken Herzkammern gelangen. Von hier kann es mit dem Blutstrom schlimmstenfalls in die Hirngefäße getragen werden und ein Hirngefäß verstopfen. Die so verursachte Minderdurchblutung eines Teils des Gehirns nennt man einen Schlaganfall.
Die Echokardiographie (Herzultraschall) zeigt die fehlgebildete Trikuspidalklappe und die Verlagerung der Klappe in den rechten Ventrikel. Mit dieser Untersuchung lässt sich beurteilen, wie undicht die Klappe ist und wie gut das Herz pumpen kann.

Diagnose
Zur Diagnostik nutzen unsere Mediziner:innen zunächst die Echokardiographie und ein Elektrokardiogramm (EKG) zur Feststellung der Rechtsherzbelastung. Außerdem führen sie häufig zusätzlich eine Herzkatheteruntersuchung durch.
Therapie
Je nach Schwere der Erkrankung kommen verschiedene Eingriffe infrage, die wir im Folgenden erläutern.
Sollte Ihr Kind bereits als Neugeborenes deutliche Symptome zeigen, sollte eine Starnes-Operation erfolgen. Bei dieser Operation wird die undichte Klappe durch einen Flicken fast vollständig verschlossen. Zusätzlich wird eine Kurzschlussverbindung aus einem Plastikröhrchen, ein sogenannter Shunt, zwischen der Hauptschlagader und einer Lungenarterie angelegt. Die Starnes-Operation ebnet in der Regel den Weg für eine univentrikuläre Palliation. Das heißt, dass in zwei weiteren Operationen der Lungen- und der Körperkreislauf getrennt werden und das Blut passiv über die obere und untere Hohlvene direkt in die Lungenarterien fließt. Die zu kleine rechte Herzkammer wird so vollständig entlastet. In Einzelfällen ist nach einer Starnes-Operation jedoch auch noch eine Rekonstruktion der undichten Klappe im Sinne einer Cone-Rekonstruktion möglich.
Eine Cone-Rekonstruktion kommt ab dem Kleinkindalter in Frage. Hierbei wird die Trikuspidalklappe an ihrer fehlerhaften Aufhängung abgelöst. Die nun herausgelöste Trikuspidalklappe, die einer Eiscreme-Waffel ähnelt (auf Englisch „cone“), wird am wahren Trikuspidalklappenanulus neu aufgehängt. Zumeist wird der Anteil der rechten Kammer, dessen Wand sehr ausgedünnt ist und der somit nicht an der Pumpleistung der Kammer teilnimmt, gerafft. Der ASD wird verschlossen oder ggf. verkleinert.
Eine Cone-Rekonstruktion erfolgt unter Nutzung des körpereigenen Klappenmaterials und ist gegenüber einem Klappenersatz mittels einer Prothese zu bevorzugen. Sollte die rechte Herzkammer nach der Cone-Rekonstruktion noch immer zu schwach sein, kann auch eine „Anderthalb-Korrektur“ erfolgen. Durch Umleiten der oberen Hohlvene direkt auf die rechte Lungenarterie fließt das sauerstoffarme Blut der oberen Körperhälfte direkt in die Lunge und die schwache rechte Kammer wird so teilweise entlastet.
Sollte eine Cone-Rekonstruktion nicht möglich sein, weil sich z.B. der Trikuspidalklappenanulus zu weit aufgedehnt hat oder die Segel der Trikuspidalklappe zu deformiert sind, kann ein Trikuspidalklappenersatz erfolgen. Für einen Trikuspidalklappenersatz mittels einer Prothese stehen zwei Varianten zur Verfügung: biologische Prothesen aus Schweine- oder Rinderperikard (d.h. Herzbeutel) und mechanische Prothesen aus Plastik. In der Trikuspidalklappenposition haben sich biologische Prothese bewährt, da sich auf ihnen im Gegensatz zu mechanischen Prothesen weniger Blutgerinnsel bilden können. Auch bei einem Trikuspidalklappenersatz wird der ASD verschlossen oder verkleinert.
Für alle oben beschriebenen Operationsvarianten gilt: Der Schnitt, den die Kinderherzchirurgin bzw. der Kinderherzchirurg bei der Operation durchführen muss, verläuft senkrecht mittig zwischen den Brustwarzen. Eine chirurgischer Ebstein-Korrektur muss immer in Vollnarkose erfolgen.
Schon seit vielen Jahren nutzen wir die sogenannte „Fast-Track-Extubation“: Nach einer OP am offenen Herzen unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine sorgen wir dafür, dass die Patient:innen schnell wieder eigenständig atmen können. Dadurch sinkt das Risiko für Atemwegsinfektionen.

Therapie am DHZC
Am DHZC bieten wir sowohl die Starnes-Operation als auch die Cone-Rekonstruktion und den Trikuspidalklappenersatz an. Außerdem bieten wir bei Operationen wie einer Cone-Rekonstruktion oder dem Trikuspidalklappenersatz, wenn möglich, das Fast-Track-Konzept an. Das bedeutet, dass Ihr Kind noch im Operationssaal von der Beatmungsmaschine entwöhnt wird und bereits selbstständig atmend auf die Kinderintensivstation gelangt. Dies hat in der Vergangenheit zu weniger Tagen auf der Intensivstation und einer schnelleren Entlassung nach Hause beigetragen.
Herzkatheteruntersuchungen am DHZC
In zwei speziell ausgerüsteten und hochmodernen Herzkatheterlaboren der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie untersuchen und behandeln wir Neugeborene, Säuglinge, Kinder und Jugendliche jeden Alters mit angeborenen und erworbenen Herzerkrankungen, sowie auch alle Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern. Wir sind als überregionales Schwerpunktzentrum auf die invasive kardiologische Diagnostik und interventionelle Therapie von Patient:innen mit angeborenen Herzfehlern spezialisiert. Unser Team verfügt über langjährige Erfahrung und Expertise.
Fragen und Antworten für Eltern (FAQ)
Die Belastbarkeit Ihres Kindes nach der Operation hängt vom gewählten Operationsverfahren ab. Auch Patient:innen mit einer schweren Form der Ebstein-Anomalie können in der Regel nach der Operation eine normale Belastbarkeit im Alltag erreichen. In Abhängigkeit von der Ausprägung der Ebstein-Anomalie und des Operationsverfahrens kann es sein, dass Ihrem Kind von wettkampforientiertem Sport abgeraten wird. Unmittelbar nach der OP kann es ebenfalls notwendig sein, für einen kurzen Zeitraum auf stärkere Anstrengung zu verzichten, bis die Heilung abgeschlossen ist. Hierzu berät Sie Ihre Kinderkardiologin bzw. Ihr Kinderkardiologe individuell. Im Anschluss an eine Starnes-Operation sind immer Medikamente notwendig, die die Entstehung von Blutgerinnseln im Shunt verhindern.
Abhängig vom Operationsverfahren sollte die Kinderkardiologin bzw. der Kinderkardiologe Ihr Kind in bestimmten Zeitabständen untersuchen. Nach einer Starnes-Operation sind engmaschigere kinderkardiologische Kontrollen notwendig. Zudem muss eine Herzkatheteruntersuchung und ggf. weitere Diagnostik erfolgen, um zu bestimmen, ob die Voraussetzungen für eine Kreislauftrennung oder für eine Rekonstruktion der Trikuspidalklappe gegeben sind.
Nach gelungener Cone-Rekonstruktion sind die Aussichten gut. Ihr Kind benötigt dennoch regelmäßige Kontrollen bei einer Kinderkardiologin bzw. einem Kinderkardiologen oder später bei einer auf Erwachsene mit Angeborenen Herzfehlern (EMAH) spezialisierten Kardiolog:in, um Spätfolgen wie Vorhofrhythmusstörungen oder eine erneute Undichtigkeit der Klappe rechtzeitig erkennen zu können.
Nach einer Operation bei Ebstein-Anomalie ist es notwendig, dass Ihr Kind bei bestimmten Eingriffen wie z.B. zahnärztlichen Eingriffen vorbeugend Antibiotika nimmt. Dieses Vorgehen nennt sich „Endokarditis-Prophylaxe“ und soll verhindern, dass Bakterien, die während des Zahneingriffs in den Blutstrom gelangen, sich im zuvor operierten Herzen festsetzen. Ob diese sogenannte Endokarditis-Prophylaxe über mehr als sechs Monate fortgeführt werden muss, wird Ihnen Ihre Kinderkardiologin bzw. Ihr Kinderkardiologe individuell mitteilen.
Die Aussichten hinsichtlich Lebenserwartung und Lebensqualität sind abhängig von der Ausprägung der Erkrankung. Nach erfolgreicher Operation können heute 20-Jahre-Überlebensraten von über 90 Prozent angenommen werden.
Eine erneute Intervention oder Operation ist nach einer Starnes-Operation immer und selbst bei erfolgreicher Cone-Rekonstruktion oft notwendig. Nach einer Starnes-Operation muss im weiteren Verlauf entschieden werden, ob eine Kreislauftrennung und somit eine Kreislaufsituation mit nur einer Schlagkammer die beste Option ist. In diesem Fall müssen weitere Herzkatheteruntersuchungen und zwei weitere Operationen erfolgen.
Sollte eine Cone-Rekonstruktion durchgeführt werden, kann es im weiteren Leben dennoch zu einer erneuten Undichtigkeit der Klappe und somit zu einer weiteren Operation kommen. Auch die Entwicklung von Vorhofrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern ist häufig und kann eine Behandlung mittels Katheterablation notwendig machen.