AG Landmesser
Univ.-Prof. Dr. Ulf Landmesser
Stellv. Ärztlicher Direktor des DHZC
Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Campus Benjamin Franklin
Professor für Kardiologie
Schwerpunkt: Pathophysiologie des Akuten Koronarsyndroms
Ein Schwerpunkt der wissenschaftlichen Aktivität der Arbeitsgruppe ist die translationale Forschung zu verschiedenen Pathomechanismen des akuten Koronarsyndroms mit Plaque Ruptur und Plaque Erosion, der gefährlichsten klinischen Präsentation der koronaren Herzerkrankung. Diese zwei verschiedenen Ursachen unterscheiden sich erheblich in Bezug auf die Patientencharakteristika, die klinische Prognose, sowie die kausalen Pathomechanismen, so dass die Erforschung von großer Bedeutung für die Weiterentwicklung einer personalisierten Patientenversorgung in der Herzmedizin ist (u.a. Eur Heart J. 2023 Oct 12;44(38):3911-3925. doi: 10.1093/eurheartj/ehad334. PMID: 37381774).
Im Rahmen dessen werden moderne intrakoronare Bildgebungsverfahren wie die optische Kohärenztomographie (OCT, Dr. Youssef Abdelwahed) ausgewertet, wo zwischen den beiden Pathophysiologien unterschieden werden kann. Das OCT-Verfahren und unser OCT Core Lab (Leitung: Dr. Youssef Abdelwahed) ermöglicht uns bei Herzinfarkt-Patienten die genaue Morphologie und Zusammensetzung (Calcium, Lipide, Entzündung) der ‘culprit’ Läsion zu untersuchen und bietet damit eine Grundlage zur Untersuchung der Pathomechanismen der Plaque Erosion und der Plaque Ruptur in vivo (Shear Stress, Kalzifizierungsmuster, Microevagination etc.). Wir haben beispielsweise beobachtet, dass gleichzeitige Lipid- und Calcium-Akkumulationen in der Gefäßwand prädispositionierend für Plaque Rupturen sind (European Heart Journal - Cardiovascular Imaging, Volume 23, Issue 12, December 2022, Pages 1598–1605, https://doi.org/10.1093/ehjci/jeab247).
Des weiteren untersuchen wir die Immunprozesse, die sich hinter der Pathophysiologie der Plaque Erosion verstecken und zwar mit speziellem Fokus auf der Aktivierung der neutrophilen Granulozyten (Denitsa Meteva) und der T-Zellen (Dr. Teresa Gerhardt).
Im Rahmen der OPTICO-ACS 1 Pilotstudie (Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. U. Landmesser, Prof. Dr. D. Leistner, und PD Dr. N. Kränkel) haben wir beobachtet, dass CD4+ und CD8+ T-Zellen sich lokal im Koronargefäß bei der Plaque Erosion anreichern und eine erhöhte Zytotoxizität gegenüber Endothelzellen zeigen als ein möglicher Mechanismus zur Immun-getriggerten Endothelzell-Ablösung und damit Plaque Erosion (Eur Heart J. 2020 Oct 1;41(37):3549-3560. doi: 10.1093/eurheartj/ehaa703. PMID: 33080003; PMCID: PMC7780480). In dieser Hinsicht spielt die lokale TLR2-vermittelten Aktivierung der neutrophilen Granulozyten durch Hyaluronan-Fragmente und der damit verbundenen Sekretion von Matrix Metalloproteinasen (vor allem MMP9) eine weitere entscheidende Rolle für den lokalen Endothelzellverlust bei der Plaque-Erosion (Eur Heart J. 2023 Oct 12;44(38):3892-3907. doi: 10.1093/eurheartj/ehad379. PMID: 37381760.), so dass wir unser aktuelles wissenschaftliches Interesse auf die Identifizierung von immunmodulatorischen Prozessen auch zu einer möglichen gezielten protektiven Beeinflussung des Immunsystems (Neutrophile, T-Zellen etc.) beim Herzinfarkt gelegt haben.
Im Rahmen der OPTICO-ACS 2-Studie werden die genauen Aktivierungsmuster der neutrophilen Granulozyten (Denitsa Meteva) in der akuten und chronischen Phase nach Plaque Erosion oder Plaque Ruptur untersucht und dabei neue Mechanismen und Signalwege zur Modulation deren Aktivierung in Bezug auf verschiedene Studienpopulationen (Unterschiedliche Geschlechter, Altersgruppen, Ausmaß der koronaren Herzerkrankung, Diabetes mellitus etc.) charakterisiert.
Schwerpunkt: kodierende und nichtkodierende RNA zur Profilierung von Immunmechanismen
Monozyten sind neben Neutrophilen die ersten Immunzellen der angeborenen Immunantwort und spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Resolution von Entzündungen.
Inflammasome sind Komplexe aus mehreren Proteinen, die bei der Steuerung von Immunprozessen in Zellen der angeborenen Immunantwort eine Rolle spielen. Der Aufbau dieser Komplexe und die Art und Menge weiterer mit ihnen assoziierter Proteine können den Verlauf von entzündlichen Erkrankungen beeinflussen. In Monozyten von Herzinfarktpatient:innen haben wir TNFAIP3 (A20) als funktionell wichtiges Protein identifiziert, welches eine wichtige Rolle in der akuten Inflammasomaktivierung sowie dessen Modulierung spielt (Figure 1; DOI: 10.3389/fimmu.2022.857455). Des Weiteren arbeiten wir an der Charakterisierung und Untersuchung von geschlechtsspezifischen Unterschieden im Transkriptom von Monozyten der Patient:innen mit Herzinfarkt und stabiler koronarer Herzerkrankung.
Neben kodierenden Proteinen liegt unser Interesse auch bei nicht-kodierenden, langen RNA-Molekülen (>200 Basenpaare), welche eine Vielzahl an Funktionen erfüllen können, unter anderem die Bindung von microRNAs oder RNA-Bindungsproteinen, die die Transkription verschiedener Gene aktivieren oder hemmen können. Die Funktionalität hängt stark von der Sekundärstruktur dieser nicht-kodierenden RNA-Moleküle ab und unterstreicht die Wichtigkeit der Untersuchung von Isoformen. Wir untersuchen sogenannte lncRNAs, die vermehrt in Monozyten exprimiert sind und eine Rolle in der Immunregulierung bei der koronaren Herzerkrankung wie dem akuten Herzinfarkt spielen. Die Anwendung von bulk, long read Nanopore und single cell RNA-Sequenzierung sowie der CRISPR-Cas9- und RAP-MS-Technologien dienen hierbei der Identifizierung dieser Moleküle, ihrer Isoformen und ihrer Interaktionspartner und ermöglichen die Erforschung ihrer Funktionalität. Dieses Projekt wird von Frau Dr. Adelheid Kratzer in Zusammenarbeit mit Dr. Hector Giral sowie Dr. Altuna Akalin von der Bioinformatics Platform des Berlin Institute of Systems Biology (BIMSB) des MDC, Dr. Philipp Mertens von der Proteomics Core Facility des MDC und Frau Dr. Antje Ebert von der Universität Göttingen (DZHK SE) durchgeführt. Das Projekt wird momentan vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gefördert.
Schwerpunkt: Methylierungsprofil zirkulierender zellfreier DNA als potentieller Biomarker zur geschlechtsabhängigen Risikostratifizierung von akuten und chronischen kardiovaskulären Erkrankungen
Zellen sterben im Rahmen von regulärem Umsatz oder unterschiedlichen Formen von Zelltod ab und setzen dadurch DNA in die Zirkulation frei, welche von DNAsen gespalten wird. Die Länge dieser gespaltenen DNA-Fragmente ist ~170bp lang, was einer Windung um ein Nukleosom inklusive zweier Verbindungsregionen entspricht. Diese DNA enthält nicht nur dieselbe genetische, sondern auch dieselbe epigenetische Information des Ursprungsgewebes bzw. der Ursprungszelle.Da diese Methylierung von bestimmten Regionen sehr zellspezifisch ist, kann eineZuordnung zum Herkunftsgewebe erfolgen. In unserer 2023 publizierten „Proof-of-Concept“-Forschungsarbeit (DOI: 10.1093/nargab/lqad061) konnten wir eindeutig zeigen, dass sich Patient:innen mit einem akutem Koronarsyndrom (ACS) unterschiedlichen Ausmaßes, nämlich STEMI, NSTEMI und uAP, durch das Methylierungsprofil ihrer freigesetzten zellfreien DNA unterscheiden (Figure 1).
Um nun eine klare Risikostratifizierung zu ermöglichen, untersuchen wir auch CAD-Patient:innen mit hohem Risiko, die ein Stress-Echo bekommen sowie ACS-Patient:innen mit unterschiedlicher Plaque-Morphologie (Erosion versus Ruptur), aber auch Herzinsuffizienzpatient:innen mit reduzierter oder konservierter Auswurffraktion. Hier werden wir wie bei den vorangegangenen Patientenkohorten zuerst eine Gesamtgenomsequenzierung von bisulfitkonvertierter DNA durchführen, was zur Identifizierung von unterschiedlichen methylierten Regionen führt. Diese können entweder denen der schon untersuchten ACS-Gruppierungen entsprechen oder aber ein neues kohorten-spezifisches Profil zeigen, welches in neuen unabhängigen Kohorten validiert werden muss.Unsere Intention ist es, ein kostengünstiges Tool als Unterstützung zur kardiovaskulären Risikostratifizierung zu etablieren. Daher arbeiten wir momentan nicht nur an einer Erfindungsmeldung, sondern auch an der Verbesserung unserer Softwarealgorithmen zur Priorisierung der besten Marker aus einer Vielzahl an Kandidaten, sowie der Miniaturisierung des Verfahrens, der Vermeidung der Bisulfitkonvertierung durch Einsatz von Nanopore-Sequenzierung und einer damit verbundenen selektiven Targetsequenzierung.
Unser Verfahren wird für viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen anwendbar sein, um sowohl Erkrankungsfortschritt oder deren Regress zu verfolgen als auch die Effizienz der medizinischen Behandlung zu beobachten.
Das Ziel ist, mit unserem nichtinvasiven, kosteneffizienten diagnostischen Ansatz zum Wohlbefinden und zur Gesundheitsvorsorge in unserer Gesellschaft beizutragen. Das Projekt wird unterstützt durch Mittel eines DZHK Use and Access Projekts, dem Medical Scientist Pilotprogramm (Nachwuchsförderung der Charité) sowie einem Junior Investigator Award des Leducq AtheroGEN Konsortium und wird von Dr. Kratzer in Zusammenarbeit von Dr. Giral und Dr. Akalin durchgeführt.
Schwerpunkt: MicroRNA modulieren die Interaktion zwischen vaskulärem Endothel und Monozyten
Entzündungsreaktionen sind ein wesentlicher Bestandteil der Pathophysiologie, die zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. Infolgedessen besteht ein dringender Bedarf an neuen Therapien, die Entzündungswege durch die Resolutionsphase der Wundheilung abschwächen oder umleiten können. Unser Forschungsprojekt konzentriert sich auf die Untersuchung von Signalwegen, welche die Rekrutierung von Immunzellen zu Stellen mit Gefäßverletzungen modulieren und die verstärkten Entzündungsreaktionen bei Erkrankungen der Herzkranzgefäße reduzieren. In diesem Bestreben kann die Identifizierung von microRNAs, die als wirksame Regulatoren der entzündlichen Aktivierung von arteriellen Endothelzellen und Monozyten wirken, zur Charakterisierung von Signalnetzwerken führen, die als neuartige therapeutische Ziele verwendet werden können. Hierzu wird die Funktionalität von neuen Kandidaten-microRNAs untersucht, die in einem High-Throughput Ansatz gescreened (HTS) und als Regulatoren der Endotheladhäsion von Immunzellen identifiziert wurden.
Targetmoleküle dieser Kandidaten-micrRNAs sowie deren Isoformen werden mittels neuartiger long read RNA Sequenzierungstechnologie von Oxford Nanopore erforscht. Das Projekt wird von Herrn Dr. Hector Giral-Arnal, unterstützt von Dr. Adelheid Kratzer durchgeführt und vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gefördert.
Zusammenarbeit
- Dr. Altuna Akalin, Bioinformatics and Omics Data Science, BIMSB, MDC; https://www.mdc-berlin.de/bioinformatics
- Dr. Tatiana Borodina, Dr. Janine, Altmueller, Genomics, MDC https://www.mdc-berlin.de/genomics
- Antje Beling, Charité, Campus Mitte, Biochemie (DZHK SE (Säule B Projekt) https://biochemie.charite.de/en/metas/person_detail/person/address_detail/beling/
- Antje Ebert: Georg August Universität Göttingen, Kardiologie und Pneumologie http://www.uni-goettingen.de/de/563622.html
- LeducqAtheroGEN Konsortium (Utrecht (Dr. Hester den Ruijter), Universität Lübeck (Dr. Tobias Reinberger), UCLA (Dr. Karen Reue), Karolinska Institut (Dr. Johan Björkegren)
- Dr. Philipp Mertens, Proteomics MDC; https://www.mdc-berlin.de/proteomics
- Prof. Stefan Blankenberg und Prof. Tanja Zeller, Universitäres Herz- und Gefäßzentrum UKE Hamburg; https://www.uke.de/kliniken-institute/kliniken/kardiologie/index.html
Preise
- Adelheid Kratzer: Junior Investigator Award (JIA) within the Leducq AtheroGEN 2024
- Adelheid Kratzer: Medical Scientist Pilotprogramm der Charité 2023
- Adelheid Kratzer: Charité Habilitationsstipendium 2019