Computersimulationen für die Herzmedizin
Obwohl die Wissenschaft in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Nachbildung von biologischen Prozessen am Computer gemacht hat, werden diese Möglichkeiten in Krankenhäusern bisher weiterhin zu wenig genutzt. Klinische Anwendungsszenarien müssen dafür noch weiter geschärft und erprobt werden.
Um diese Entwicklung voranzutreiben, fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen ihres "Schwerpunktprogrammes 2311" Projekte, die technische Grundlagen in verschiedenen Bereichen schaffen, damit Computersimulationen in Zukunft verlässlich in der medizinischen Behandlung eingesetzt werden können.
In diesem Rahmen unterstützt die DFG nun zwei Projekte des Instituts für kardiovaskuläre Computer-assistierte Medizin (ICM) unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Leonid Goubergrits, Dr.-Ing. Katharina Vellguth und Prof. Dr. med. Titus Kühne, mit Dr. med. Fabian Barbieri, Facharzt an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin Campus Benjamin Franklin des DHZC, als klinischem Partner. Die beiden Projekte zur Analyse der Hämodynamik und zur Früherkennung gefährlicher Gefäßerkrankungen werden ab Januar gemeinsam mit mehr als 785.000 Euro gefördert.
Die Projektleiter:innen Prof. Dr.-Ing. Leonid Goubergrits, Prof. Dr. med. Titus Kühne und Dr.-Ing. Katharina Vellguth (von links nach rechts).
Digitale Herzmodelle für maßgeschneiderte Therapien
Das erste Projekt nutzt computergestützte Methoden, um die Durchströmung des Herzens genauer zu untersuchen. Diese Methoden basieren auf bildgebenden Verfahren und nutzen mathematische Modelle, um die Form des Herzens und die Blutströmung zu analysieren.
Das Besondere an diesem Projekt ist, dass für jede Patientin und jeden Patienten ein individuelles Herzmodell am Computer erstellt wird. Dieses Modell basiert auf den jeweils persönlichen medizinischen Daten und bildet den aktuellen Gesundheitszustand ab. Mit diesem individuellen Computermodell können die Ärztinnen und Ärzte dann verschiedene Behandlungsmöglichkeiten durchspielen und ihre Auswirkungen vorhersagen.
Die Computersimulation kann Situationen darstellen, die normalerweise nicht direkt messbar oder riskant sind. So können die Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel schon vor einer Operation sehen, wie sich diese vermutlich auswirken wird. Außerdem können sie testen, wie das Herz auf bestimmte Medikamente reagieren würde, ohne die Patientin oder den Patienten einer realen Medikamentengabe aussetzen zu müssen.
Damit diese computergestützten Vorhersagen auch wirklich in der medizinischen Praxis helfen können, arbeiten die Physiker:innen und Ingenieur:innen des Projekts eng mit den Ärzt:innen des DHZC zusammen. Die Ärzt:innen können dabei sicherstellen, dass die Computermodelle die richtigen Informationen liefern und die Ergebnisse für die Behandlung der Patient:innen tatsächlich nützlich sind. So soll ein praktisches Werkzeug entstehen, das hilft, für jede Herzpatientin und jeden Herzpatienten die bestmögliche Behandlung zu finden.
Künstliche Intelligenz soll Gefäßrisse besser vorhersagen
Ein gerissenes Blutgefäß, sei es in der Aorta oder im Gehirn, kann lebensbedrohlich sein oder zu schweren gesundheitlichen Risiken führen. Für Ärztinnen und Ärzte ist es eine große Herausforderung zu entscheiden, ob sie bei Patient:innen mit gefährdeten, aber noch intakten Blutgefäßen vorbeugend eingreifen sollen. Diese Entscheidung ist besonders schwierig, weil sich der Krankheitsverlauf bei jeder Patientin und jedem Patienten unterschiedlich entwickeln kann, verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und jede Behandlung auch Risiken mit sich bringen kann.
Um diese Situation zu verbessern, setzt das zweite geförderte Projekt bei der Untersuchung von zwei wichtigen Eigenschaften der Blutgefäße an: ihre äußere Form (Morphologie) und ihre Hämodynamik, also die Art, wie das Blut durch sie fließt. Diese Merkmale können wichtige Hinweise auf das Risiko eines Gefäßrisses geben. Bisher werden sie in der praktischen Medizin jedoch wenig genutzt, weil die Messungen noch nicht verlässlich genug sind.
Um dies zu ändern, setzt das Forschungsteam auf künstliche Intelligenz, genauer gesagt auf neuronale Netzwerke. Diese computergestützten Systeme sollen helfen, die Messungen genauer und zuverlässiger zu machen. Das langfristige Ziel ist es, diese verbesserten Untersuchungsmethoden so weiterzuentwickeln, dass Ärztinnen und Ärzte sie im klinischen Alltag nutzen können, um das Risiko eines Gefäßrisses bei ihren Patient:innen besser einzuschätzen und die bestmögliche Behandlung zu wählen.
„Unsere Projekte zielen darauf ab, die computergestützte Medizin noch besser auf die praktischen Bedürfnisse im klinischen Alltag abzustimmen. Mit personalisierten Herzmodellen und KI-gestützter Risikovorhersage können wir Behandlungsentscheidungen künftig noch fundierter treffen, unnötige Eingriffe vermeiden und die Behandlungsqualität für unsere Patientinnen und Patienten verbessern“, sagt Prof. Dr. med. Titus Kühne, Leiter des Instituts für kardiovaskuläre Computer-assistierte Medizin. „Für diese wichtige Unterstützung sind wir der Deutschen Forschungsgemeinschaft sehr dankbar.“