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Eigentlich unmöglich

Dem einjährigen Janosz S. wurde am DHZC ein Herz transplantiert, obwohl die Blutgruppe des Spenders eigentlich unverträglich ist. Jetzt wurde er entlassen.

Dem heute einjährigen Janosz S. wurde am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) ein Herz transplantiert, obwohl die Blutgruppe des Spenders eigentlich unverträglich ist. Was bei Erwachsenen katastrophale Folgen haben würde, ist bei Säuglingen und Kleinkindern unter bestimmten Umständen nicht nur möglich, sondern zeigt sogar überraschend gute Langzeitergebnisse. Jetzt wurde Janosz aus dem DHZC entlassen.

Janosz hat bereits einen schweren Start ins Leben. Er muss Anfang März 2024 wegen einer sogenannten Präeklampsie, einer gefürchteten Erkrankung bei werdenden Müttern, acht Wochen vor dem normalen Geburtstermin zur Welt gebracht werden. Doch gemeinsam mit seinen Eltern, Ärzt:innen und Pflegenden kämpft sich Janosz tapfer ins Leben. Drei Wochen später können seine Eltern Denise und Mauritius S. ihren Sohn mit nach Hause nehmen. Janosz entwickelt sich ohne Einschränkungen.

Besorgniserregende Symptome

Doch Ende August machen sich die Eltern erneut Sorgen. Es ist noch einmal sehr heiß in Berlin, dennoch trinkt Janosz kaum, wirkt häufig lethargisch. Immer wieder stellt Denise S. ihr Kind beim Kinderarzt vor, eine klare Diagnose kann jedoch nie gestellt werden. Doch Denise S. bleibt hartnäckig: „Ich wusste, dass mit meinem Kind etwas nicht stimmt.“

Die Diagnose

Mitte Oktober überschlagen sich dann die Ereignisse. Janosz ist blass, hat deutlich abgenommen und wird ins DRK-Krankenhaus im Berliner Westend eingewiesen. Dort wird schnell eine schwerwiegende Diagnose gestellt: „dilatative Kardiomyopathie“, eine letztendlich unheilbare akute Erkrankung, die den Herzmuskel erweitert und erschlaffen lässt. Bereits am nächsten Tag wird Janosz auf die Intensivstation im Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) verlegt. 

Janosz mit seinen Eltern Mauritius und Denise am Tag seiner Entlassung aus dem DHZC. Als Janosz sieben Monate alt war, wurde bei ihm eine dilatative Kardiomyopathie festgestellt. Am DHZC wurde er an ein Kunstherz angeschlossen und schließlich erfolgreich transplantiert. Das Besondere: Der Spender des Herzens hat eine andere, nicht verträgliche Blutgruppe.

Janosz S. am Tag seiner Entlassung aus dem DHZC mit seinen Eltern Mauritius (links) und Denis (rechts).
Janosz S. am Tag seiner Entlassung aus dem DHZC mit seinen Eltern Mauritius (links) und Denis (rechts).

Janosz mit seinen Eltern Mauritius und Denise am Tag seiner Entlassung aus dem DHZC. Als Janosz sieben Monate alt war, wurde bei ihm eine dilatative Kardiomyopathie festgestellt. Am DHZC wurde er an ein Kunstherz angeschlossen und schließlich erfolgreich transplantiert. Das Besondere: Der Spender des Herzens hat eine andere, nicht verträgliche Blutgruppe.

Das Kunstherz

Die DHZC-Spezialist:innen versuchen zunächst, Janosz' Herz durch eine künstlich beigefügte Verengung eines Blutgefäßes gleichsam zu „straffen“. Doch dieser Eingriff zeigt nicht den gewünschten Erfolg. Janosz muss an ein „Berlin Heart“ angeschlossen werden, das weltweit einzige Kunstherzsystem für Kinder. Es besteht aus einer Antriebseinheit außerhalb des Körpers, ungefähr so groß wie ein kleiner Einkaufstrolley, die über etwa fingerdicke Schläuche direkt mit dem Herzen des Kindes verbunden wird.

Zwei Wochen später kommt Janosz auf die Warteliste für eine Herztransplantation, „high urgent“ – hochdringlich. 

Die Chance

Die Eltern stellen sich auf eine lange Wartezeit ein, sie wissen: Es kann viele Monate, schlimmstenfalls sogar Jahre dauern, bis ein passendes Organ zur Verfügung steht. Doch bereits an einem Abend Anfang Februar, Denise ist bei ihrem Sohn, kommt Kinderkardiologe PD Dr. Oliver Miera, stellvertretender Leiter der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie, mit guten Nachrichten ins Krankenzimmer: Es gibt ein Herz für Janosz.

Das Besondere: Der Spender des Herzens hat eine andere, nicht verträgliche Blutgruppe. Bei älteren Kindern oder Erwachsenen wäre die Transplantation in diesem Fall ein fataler Fehler: Die Antigene des Spenderorgans würden – je nach Blutgruppe – vom Empfänger mit Antikörpern bekämpft werden. 

Das Verfahren

„Wir wissen aber“, erklärt Oliver Miera, „dass sich diese Immunantwort erst ab dem zweiten oder dritten Lebensjahr vollständig ausbildet.“ Bei Säuglingen wie Janosz ist eine Transplantation auch mit unverträglicher Blutgruppe möglich. 

Am Deutschen Herzzentrum der Charité wurde dafür ein detailliertes Protokoll entwickelt. Entscheidend ist die regelmäßige Kontrolle der Antikörper im Blut des Kindes. „Bei Janosz war der Wert so niedrig, dass er ohne weitere Vorbehandlung transplantiert werden konnte“, sagt Oliver Miera.

Janosz bei seiner Entlassung aus dem DHZC mit seinen Eltern und einem Teil der Pflegenden, Ärzt:innen und unserer Erzieherin Daniela Wenzel (rechts im Bild), die ihn in der Zeit an unserer Klinik versorgt haben.

Janosz S. aus Berlin am Tag seiner Entlassung aus dem DHZC mit seinen Eltern Mauritius und Denise (in der Mitte) und dem Team der Klinik für Angeborene Herzfehler - Kinderkardiologie.
Janosz S. aus Berlin am Tag seiner Entlassung aus dem DHZC mit seinen Eltern Mauritius und Denise (in der Mitte) und dem Team der Klinik für Angeborene Herzfehler - Kinderkardiologie.

Janosz bei seiner Entlassung aus dem DHZC mit seinen Eltern und einem Teil der Pflegenden, Ärzt:innen und unserer Erzieherin Daniela Wenzel (rechts im Bild), die ihn in der Zeit an unserer Klinik versorgt haben.

Wissenschaftlich fundiertes Verfahren

Diese Transplantationstechnik sei medizinisch erprobt und sicher, sagt Oliver Miera: „Das Verfahren stammt aus Kanada, wo es schon seit rund 25 Jahren und bei mehreren hundert Kindern angewandt wurde, mit wissenschaftlich klar belegten Erfolgen. Die Studienergebnisse deuten sogar darauf hin, dass diese Organe vom Körper der kleinen Empfängerinnen und Empfänger langfristig besser angenommen werden.“

Nach wie vor werden Organe zunächst Empfänger:innen mit gleicher Blutgruppe angeboten. Doch nun können auch Organe implantiert werden, für die es vorher keine passenden Empfänger:innen gegeben hätte. „Die Vorteile liegen auf der Hand“, sagt Prof. Dr. Felix Berger, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie am DHZC: „Die Erweiterung des Spenderpools bedeutet mehr verfügbare Herzen für sehr kleine Kinder, eine deutliche Verkürzung der Wartezeit und damit eine Reduktion der Sterblichkeit auf der Warteliste.“

Janosz mit Prof. Dr. Felix Berger, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie am DHZC (links) und seinen Eltern Denise und Mauritius S. (rechts).

Janosz mit Prof. Dr. Felix Berger, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie am DHZC (links) und seinen Eltern Denise und Mauritius S. (rechts).

Janosz ist bereits das dritte Kind, dem am DHZC ein Spenderherz implantiert wurde, für das es sonst keine passende Empfängerin oder passenden Empfänger gegeben hätte.

Ein neues Leben
Kurz nach Mitternacht müssen sich Denise und Mauritius S. von Janosz an der OP-Schleuse verabschieden. Am nächsten Morgen schlägt in seinem Körper ein neues Herz. Der Eingriff ist ohne Probleme verlaufen. Janosz erholt sich gut und schnell. Jetzt konnten ihn seine Eltern mit nach Hause nehmen, nach fast fünf Monaten im Krankenhaus. Denise und Mauritius S. genießen jetzt die frühlingshaften Sonnentage, sie leben in der Gegenwart und in Dankbarkeit: „Das Schönste ist einfach nur, dass er lebt.“

AB0-inkompatible Herztransplantation am DHZC

Entscheidend für die Sicherheit und den Erfolg der sogenannten AB0-inkompatiblen Herztransplantation ist die regelmäßige Kontrolle der Antikörper im Blut des Kindes – der sogenannte Antikörper-Titer. 

Je nach Höhe dieses Wertes gibt es drei Szenarien: Bei niedrigem Titer ist eine direkte Transplantation möglich, bei mittlerem Titer können die Antikörper während der Operation durch spezielle Filter an der Herz-Lungen-Maschine entfernt werden (Immunadsorption), bei hohem Titer wird von der Transplantation abgesehen.

Am Deutschen Herzzentrum der Charité wurde für diese besondere Transplantationsform ein detailliertes Protokoll erarbeitet und mit der Bundesärztekammer, der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und Eurotransplant abgestimmt. 

Zudem wurden die dafür notwendigen Laborkapazitäten am DHZC speziell für diese Verfahren validiert, um höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten.

Besonders hilfreich bei der Etablierung des Verfahrens war die Expertise von Oberärztin Dr. Annemarie Krauß, die in Edmonton (Kanada) ausgebildet wurde und dort persönlich mit Professor Dr. Lori West zusammenarbeitete – jener Wissenschaftlerin, die mit ihrer Arbeitsgruppe dieses Verfahren erstmals publizierte und etablierte.